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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0019
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XVIII

Einleitung des Herausgebers

von Probevorlesungen verliehen: Jaspers wollte sich präsentieren. »Mein Thema ist
schwierig, aber absichtlich gewählt. Anfangs wollte ich fünf historische Vorlesungen
machen: das wäre sehr viel leichter gewesen, hätte aber auch für mich kein solches In-
teresse gehabt. Ich möchte doch ausserhalb Deutschlands ein Wort meines eigenen
Philosophierens versuchen. Es ist die Gefahr, dass wenig verstanden wird. Ich rechne
mit der Möglichkeit eines grossen Misserfolgs - wenn auch die Vorlesungen an sich
gut sind.«66 Mit dem Resultat jedenfalls war er zufrieden, es sei »eine neue Leistung«
und »wie ich glaube, ein in sich Ganzes«.67
Dagegen glichen die Frankfurter Vorträge Soliloquien. Auch äußerlich: Das Sym-
philosophein mit Ernst Mayer war während und wegen des Nietzschebuchs zu Bruch
gegangen;68 Streit gab es schon um die Schlusspassage von Vernunft und Existenz, für
die Jaspers einen (im Nachlass nicht mehr komplett erhaltenen) Abschnitt über »Das
Ideal des Menschen« vorgesehen hatte (sh. Abbildung 2). Mayer protestierte, mehr-
fach und kategorisch - »schon allein die Richtung des absoluten Bewusstseins auf die
Unbedingtheit im Handeln und auf Geschichtlichkeit und Freiheit« erlaube »keine
Aufstellung irgendeines Ideals«.69 Unwillig gab Jaspers nach: »Dass Du so radikal nicht
verstehst veranlasst mich, diese Seiten aus den Groninger Vorlesungen herauszuneh-
men und einmal anderswo, und vielleicht ausführlicher, zu verwenden. Deine Bemer-
kungen sind mir wiederum durchweg unverständlich oder wirken auf mich rein intel-
lektuell, was ja dasselbe ist. Die Sache selbst wird Dir in der Tat unbekannt sein. Dein
Leben fing mit Gott an, meines ohne Gott. Mir ist in der Jugend ein Stolz gebrochen.
- Dazu kommt, dass die Ideale des Menschen, vor allem >der Weise< in der Philosophie
nach Aristoteles eine so grosse Rolle spielen, und mich trotz besseren Wissens immer
noch bezaubern. // Dass ich die Seiten jetzt streiche, statt sie deutlicher und unmiss-
verständlicher zu machen, ist - abgesehen von radikalem Zeitmangel - dadurch nahe
gelegt, dass die Vorlesung vor diesem Schluss schon ein Ende hat; es war ein Nachtrag.
Ich habe diesen Nachtrag, der nach Abschluss der >Einwände< noch einmal philoso-
phieren sollte, auch faktisch in Groningen nicht vorgetragen.«70

66 K. Jaspers an die Eltern, 7. März 1935. Zum ursprünglichen Konzept fünf historischer Vorlesungen
vgl. Stellenkommentar Nr. 16.

67 K. Jaspers an die Eltern, 20. März 1935.

68 Vgl. Kirkbright, 155-159 und die Andeutung Jaspers' in Philosophische Autobiographie, 52: »es ent-
stand nicht noch einmal jene wunderbare Einhelligkeit der Arbeit«.

69 E. Mayer an K. Jaspers, 2. April 1935; zum »absoluten Bewußtsein« als »Seinsgewißheit der Exis-
tenz« vgl. Philosophie 11, 255-291.

70 K. Jaspers an E. Mayer, 12. April 1935. - Aufgenommen hat Jaspers das Textstück vermutlich am
Ende der ersten Vorlesung der Existenzphilosophie über »Die Möglichkeiten des Menschen«, vgl.
unten S. 117-118; »nach den >Einwänden<« bezieht sich auf den letzten Abschnitt von Vernunft und
Existenz: »Einwände gegen dieses Philosophieren«, unten S. 96-98.
 
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