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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0025
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XXIV

Einleitung des Herausgebers

Unter systematischen Gesichtspunkten jedoch erwies sich die Einsicht in die Selb-
ständigkeit von Bewusstseinsinhalten gegenüber neurophysiologisch analysierbaren,
mentalen Zuständen oder Ereignissen als grundlegend. In einer nur umgangssprach-
lich irritierenden, phänomenologisch aber evidenten Diktion sind Wahrnehmungs-
inhalte, Inhalte von Gedanken oder Zielen (Wünschen) nicht bloß »subjektiv«: Sie
sind keine realen Bestandteile des Bewusstseins.93 Jaspers nennt solche Inhalte, wohl
im Anschluss an Lask, »transsubjektiv«.94 Transsubjektivität bedeutet, dass das jeweils
Wahrgenommene oder Vorgestellte, ein Foul im Sechszehner oder der Gott Jupiter,
als ein »vom Subjekt Unabhängiges« gemeint - nicht, dass es auch tatsächlich vorhan-
den ist. Selbst handfeste Wahrnehmungen können täuschen, so dass in der Strafraum-
szene de facto »nichts war<, und der Vorstellung von Jupiter entspricht, soweit wir wis-
sen, kein wirklicher Jupiter. Zum Profil des intentionalen Bewusstseins gehört nur,
dass »das Subjekt per se selbsttranszendierend [...], per se auf etwas von ihm selbst Ver-
schiedenes gerichtet«95 ist. Auf diese Verschiedenheit allerdings kommt es Jaspers an,
denn aus ihr folgt, dass Intentionalität nicht als Identität von Subjekt und Objekt ver-
standen werden kann,96 die Subjekt-Objekt-Beziehung also zugleich eine Subjekt-Ob-
jekt-Spaltung darstellt. Intentionales Bewusstsein steht damit unter zwei heterogenen
Bedingungen. Es impliziert zum einen die Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung
- sonst gäbe es keine »Subjekt-Objekt-Beziehung«. Andererseits darf die Überwindung
der Subjekt-Objekt-Spaltung die Spaltung nicht aufheben - sonst gäbe es keine Sub-
jekt-Objekt-Beziehung.
Bereits dieser Doppelaspekt von Spaltung und Beziehung verweist auf ein Subjekt/
Objekt-»Umgreifendes«, das den Gegensatz von Subjekt und Objekt überbrückt, ohne
ihn zu annullieren. Versteht man ein solch' Umgreifendes vorläufig als eine Art Rah-
men der Subjekt-Objekt-Beziehung, müsste dieser Rahmen in der Subjekt-Objekt-Be-
ziehung entweder mit-präsent sein oder ihr vorausliegen im Sinne eines Ursprungs,
aus dem sich Subjekt und Objekt konstituieren. Die zweite Alternative hat Jaspers
nicht prinzipiell, in Auseinandersetzung z.B. mit den frühidealistischen Positionen

93 Vgl. E. Husserl: Logische Untersuchungen. Zweiter Band. Erster Teil: Untersuchungen zur Phänomeno-
logie und Theorie der Erkenntnis [2i9i3], Husserliana XlX/i, Den Haag und Boston 1984, 386-387 zur
Unterscheidung zwischen realen und intentionalen Bewusstseinsinhalten.

94 Philosophie 1, 37; vgl. E. Lask: Die Lehre vom Urteil, Tübingen 1912,170 (»Auch die immanente Wahr-
nehmung ist so subjektsunähnlich wie der Spinozistische Gott unpersönlich ist. Auch die imma-
nente Region ist eine Region nicht der subjektiven Hingegebenheit, sondern des der Subjektivität
entgegengeltenden Sinnes. Das Nicht-Transzendente [sc. der inneren Wahrnehmung] ist dennoch
- wie wert- und sinnartig - so auch transsubjektiv«).

95 D. Zahavi: Husserls Phänomenologie, Tübingen 2009 [dt.], 21.

96 Vgl. auch Philosophische Grundlegung [1927; DLA, A: Jaspers], S. 94: »Der Gegenstand, den ich er-
kenne, ist im Erkenntnisakt gemeint, aber nicht Bestandteil dieses Erkenntnisaktes. Erkenntnis-
akt und Gegenstand sind nie identisch sondern immer gegenüberstehend.«
 
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