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Vernunft und Existenz
Der vernünftige Wille zum Allgemeinen stellt das Wissen um ein vermeintlich abso-
lutes Ende - das etwa mit Hegel, Kierkegaard und Nietzsche eingetreten sei - in Frage.
Er kehrt zurück zum Ursprung und damit zur Geschichte seiner selbst. Diese wird auf
neue Weise - entgegen dem Nihilismus eines Allesverwerfens und unwissenden Von-
vornanfangens - seine Aufgabe:
137 Wenn Gedanken und Existenz Kierkegaards und Nietz|sches uns revolutioniert ha-
ben, kommen wir zu Einsichten, deren Gehalt wir rückläufig im Philosophieren der Ver-
gangenheit wiedererkennen. Was schon getan wurde, aber durchweg ohne letztes me-
thodisches Selbstbewußtsein blieb, meinen wir noch einmal eigentlich zu verstehen.
Wir glauben die Ursprünge des ewigen Philosophierens, der philosophia perennis,207
bewußter aufzuspüren, das echte Philosophieren von rationalen Leerheiten klarer zu
scheiden. Es ist eine neue existentiell sprechende Philosophiegeschichte für uns im
Werden, die doch nur das Uralte treuer als früher, weil innerlicher bewahren möchte.
Die letzten Jahrhunderte waren charakterisiert durch die Häufigkeit, mit der Philo-
♦ sophen jeweils ganz von vorn anzufangen meinten, so daß immer wieder ein Anderer
behauptete, mit ihm beginne nun erst die eigentlich wissenschaftliche Philosophie.208
Wir denken und sehen anders. Die jederzeitige Ursprünglichkeit des Philosophierens
ist zugleich nichts als Aneignung des Wahren, das gleichsam schon da ist, wenngleich
es als geschichtliche Erfüllung immer im kommunikativen Werden ist. Wohl geschieht
phischen Logik behandelt. Die unendliche Reflexion entsteht durch den grenzenlosen Antrieb der
Vernunft in dem rückhaltlosen Wagnis des Menschen, der seinen Boden, an dem die Reflexion
stranden kann, allein in der Existenz gewinnt, von der die Vernunft selbst getragen wird.
Selbstreflexion kann dreierlei bedeuten. Als psychologische Selbstbetrachtung ist sie ein Feststel-
len und Deuten von etwas, das als nun einmal so seiend ist. Als Existenzerhellung ist sie ein Entwer-
fen von Möglichkeiten in einer Vieldeutigkeit, die alles Gedachte auch noch wieder anderes be-
deuten lassen kann, wodurch die Freiheit der Aktivität inneren Handelns aus der vor ihrer
Transzendenz stehenden Substanz des Selbstseins erweckt werden soll. Als Selbstbewußtsein der
Vernünftigkeit ist sie die alldurchdringende und allumgreifende Möglichkeit der Klarheit der Wei-
♦ sen des Seins für mich und der Weisen meiner selbst: sie findet ihre ausdrückliche Entfaltung in
der philosophischen Logik, die in Ursprung und Ziel selbst Philosophie ist.
Selbstreflexion als eine eigentümliche Wirklichkeit ist Gegenstand und Quelle der Psychologie; als
Medium des Selbstseins der Existenz ist sie selbst das konkrete Philosophieren der Existenzerhel-
lung, die zugleich ein inneres Handeln ist; als das Umgreifende der Vernunft, die ihrer selbst be-
wußt ist, verwirklicht sie sich als logisches Selbstbewußtsein.
Diese Zusammenhänge zu der überhaupt möglichen Klarheit zu bringen, müßte die Frage, was
das Denken selbst, was der Begriff sei, aus dem Grunde gestellt und entwickelt werden. Das geht
über das Thema dieser Vorlesungen hinaus. Sie müssen eine Voraussetzung zulassen, nämlich die,
es sei selbstverständlich, was Denken und was der Begriff sei; an sich freilich zu Unrecht; denn
hier ist ein wahrer Abgrund und für die philosophische Logik ein entscheidender Ausgangspunkt
im Ursprung aller Denkmöglichkeiten. Sie muß darin eine dem gewohnten Denken ganz fremde
Ebene erklimmen, ähnlich, aber auch ganz anders, wie beim Denken des »Umgreifenden«, das in
diesen Vorlesungen versucht wurde.
Vernunft und Existenz
Der vernünftige Wille zum Allgemeinen stellt das Wissen um ein vermeintlich abso-
lutes Ende - das etwa mit Hegel, Kierkegaard und Nietzsche eingetreten sei - in Frage.
Er kehrt zurück zum Ursprung und damit zur Geschichte seiner selbst. Diese wird auf
neue Weise - entgegen dem Nihilismus eines Allesverwerfens und unwissenden Von-
vornanfangens - seine Aufgabe:
137 Wenn Gedanken und Existenz Kierkegaards und Nietz|sches uns revolutioniert ha-
ben, kommen wir zu Einsichten, deren Gehalt wir rückläufig im Philosophieren der Ver-
gangenheit wiedererkennen. Was schon getan wurde, aber durchweg ohne letztes me-
thodisches Selbstbewußtsein blieb, meinen wir noch einmal eigentlich zu verstehen.
Wir glauben die Ursprünge des ewigen Philosophierens, der philosophia perennis,207
bewußter aufzuspüren, das echte Philosophieren von rationalen Leerheiten klarer zu
scheiden. Es ist eine neue existentiell sprechende Philosophiegeschichte für uns im
Werden, die doch nur das Uralte treuer als früher, weil innerlicher bewahren möchte.
Die letzten Jahrhunderte waren charakterisiert durch die Häufigkeit, mit der Philo-
♦ sophen jeweils ganz von vorn anzufangen meinten, so daß immer wieder ein Anderer
behauptete, mit ihm beginne nun erst die eigentlich wissenschaftliche Philosophie.208
Wir denken und sehen anders. Die jederzeitige Ursprünglichkeit des Philosophierens
ist zugleich nichts als Aneignung des Wahren, das gleichsam schon da ist, wenngleich
es als geschichtliche Erfüllung immer im kommunikativen Werden ist. Wohl geschieht
phischen Logik behandelt. Die unendliche Reflexion entsteht durch den grenzenlosen Antrieb der
Vernunft in dem rückhaltlosen Wagnis des Menschen, der seinen Boden, an dem die Reflexion
stranden kann, allein in der Existenz gewinnt, von der die Vernunft selbst getragen wird.
Selbstreflexion kann dreierlei bedeuten. Als psychologische Selbstbetrachtung ist sie ein Feststel-
len und Deuten von etwas, das als nun einmal so seiend ist. Als Existenzerhellung ist sie ein Entwer-
fen von Möglichkeiten in einer Vieldeutigkeit, die alles Gedachte auch noch wieder anderes be-
deuten lassen kann, wodurch die Freiheit der Aktivität inneren Handelns aus der vor ihrer
Transzendenz stehenden Substanz des Selbstseins erweckt werden soll. Als Selbstbewußtsein der
Vernünftigkeit ist sie die alldurchdringende und allumgreifende Möglichkeit der Klarheit der Wei-
♦ sen des Seins für mich und der Weisen meiner selbst: sie findet ihre ausdrückliche Entfaltung in
der philosophischen Logik, die in Ursprung und Ziel selbst Philosophie ist.
Selbstreflexion als eine eigentümliche Wirklichkeit ist Gegenstand und Quelle der Psychologie; als
Medium des Selbstseins der Existenz ist sie selbst das konkrete Philosophieren der Existenzerhel-
lung, die zugleich ein inneres Handeln ist; als das Umgreifende der Vernunft, die ihrer selbst be-
wußt ist, verwirklicht sie sich als logisches Selbstbewußtsein.
Diese Zusammenhänge zu der überhaupt möglichen Klarheit zu bringen, müßte die Frage, was
das Denken selbst, was der Begriff sei, aus dem Grunde gestellt und entwickelt werden. Das geht
über das Thema dieser Vorlesungen hinaus. Sie müssen eine Voraussetzung zulassen, nämlich die,
es sei selbstverständlich, was Denken und was der Begriff sei; an sich freilich zu Unrecht; denn
hier ist ein wahrer Abgrund und für die philosophische Logik ein entscheidender Ausgangspunkt
im Ursprung aller Denkmöglichkeiten. Sie muß darin eine dem gewohnten Denken ganz fremde
Ebene erklimmen, ähnlich, aber auch ganz anders, wie beim Denken des »Umgreifenden«, das in
diesen Vorlesungen versucht wurde.