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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0174
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Das Sein des Umgreifenden

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uns alles Sein umfassenden Bewußtsein überhaupt darstellt. Die Entwicklungen der
»transzendentalen Deduktion«236 gehen auf den einen Ruck des Seinsbewußtseins: sie
erzeugen und erhellen das Wissen um die Erscheinungshaftigkeit allen Weltseins
durch das Innewerden des Umgreifenden des Bewußtseins überhaupt.
So trat das Umgreifende in zwei Weisen auf. Das Umgreifende, in dem das Sein selbst
erscheint, heißt die Welt. Das Umgreifende, das ich bin, und das wir sind, heißt das Be-
wußtsein überhaupt.
Der zweite Schritt:
Das Umgreifende, das ich bin, ist mit dem Bewußtsein überhaupt nicht erschöpft.
Ich bin als Dasein, von dem das Bewußtsein getragen wird. Die Rückkehr zur Wirklich-
keit vollzieht den Schritt vom bloßen Bewußtsein zum wirklichen Dasein, zu dem Da-
sein, das Anfang und Ende hat, sich in seiner Umwelt müht und kämpft oder ermüdet
und nachgibt, genießt und leidet, Angst hat und Hoffnung. Und ich bin weiter nicht
nur Dasein, sondern ich bin wirklich als Geist, in dessen ideelle Totalitäten alles vom
Bewußtsein Gedachte und als Dasein Wirkliche aufgenommen werden kann.
Der dritte Schritt:
Diese Weisen des Umgreifenden insgesamt sind das zweifellos Gegenwärtige. Sie
umfassen die Immanenz als das, was ich bin, - Dasein, Bewußtsein überhaupt, Geist -
und als das, was mir Gegenstand wird - Welt. Es ist | die weitere Frage, ob diese Imma-
nenz sich genug ist oder auf anderes weist. In der Tat: der Sprung aus der Immanenz wird
von Menschen vollzogen, und zwar in einem: von der Welt zur Gottheit und von dem
Dasein des bewußten Geistes zur Existenz. Existenz ist das Selbstsein, das sich zu sich
selbst und darin zu der Transzendenz verhält, durch die es sich geschenkt weiß, und
auf die es sich gründet.237 -
Die Gliederung des Umgreifenden beruht auf der Sonderung dieser drei Schritte,
die wir nacheinander angaben: Erstens vom Umgreifenden überhaupt zu der Schei-
dung des Umgreifenden, das wir sind, und des Umgreifenden, das das Sein selbst ist;
zweitens von dem Umgreifenden, das wir sind, zu der Scheidung dessen, was wir sind
als Dasein, Bewußtsein überhaupt, Geist; drittens von der Immanenz zur Transzendenz.
Diese Gliederung bedeutet also keine zwingende Ableitung aus einem Prinzip, son-
dern ein Antreffen an den Grenzen. Sie bedeutet ein Hinnehmen der Weisen, in de-
nen ursprünglich das Sein gegenwärtig wird.238
Reflektieren wir über den Sinn des bisher Erörterten. Die Erhellung des Umgreifenden
und der Weisen des Umgreifenden hat, wenn sie gelingt, eine Wirkung, die dem Sinn
eines jeden Erkennens sich mitteilt. Denn in ihr werden philosophische Entscheidungen
klar, von denen nichts in unserem Wesen unberührt bleibt:
I. Die philosophische Grundoperation verwandelt mein Seinsbewußtsein. Das Sein
im Ganzen ist nicht mehr durch eine Ontologie begrifflich wißbar, sondern es ist zu-

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