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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0265
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204

Stellenkommentar

114 Die hier noch als optional angesprochenen Selbsttäuschungen der philosophischen und
theologischen Kierkegaard-Aneignung hat Jaspers später bekräftigt: Es sei »für die Wirkung
Kierkegaards [...] das Merkwürdige, daß es heute eine Philosophie als Doktrin gibt, die man
Existenzphilosophie nennt, und daß es eine Theologie als kirchliche Dogmatik gibt, die,
auf Kierkegaard bezogen, dialektische Theologie heißt. Beide, Philosophie und Theologie,
möchten aneignen, was Kierkegaard dachte - beide leben heute in beträchtlichem Umfang
von seinen Gedanken -, aber beide möchten ihn für sich zurechtrücken, damit sie ihn an-
eignen können, ohne sich selbst auf den Kopf zu stellen. Philosophen scheiden das Christ-
liche aus und meinen, ohne dieses eine Lehre bei Kierkegaard zu finden, die als eine neue
Philosophie gelten soll: die Lehre von den humanen Existenzverhältnissen. Theologen
scheiden Kierkegaards radikalen Angriff auf die Kirche und seine Auffassung des neutesta-
mentlichen Christentums aus und meinen, seine Begriffe als eine unersetzlich treffende
Grundlegung der Theologie für den modernen Menschen brauchen zu können« (»Kierke-
gaard. Zu seinem 100. Todestag«, 320).
115 Ein Panorama dieser Wirkung vermittelt St. E. Aschheim: Nietzsche und die Deutschen. Kar-
riere eines Kults, Stuttgart 2000, ausführlich dokumentiert (bis 1945) wird sie bei R. F. Krüm-
mel: Nietzsche und der deutsche Geist. 4 Bde., Berlin 1974-2006.
116 war nur einmal möglich! EA: war so nur einmal möglich
117 verwandelnden, aber zugleich entfernenden Orientierung! Im Sinne einer Ausrichtung auf
Distanz greift Jaspers häufig die kierkegaardsche Metapher der Seemarke auf, »nach der ge-
steuert wird, wohl zu merken derart, daß der Steuernde versteht, daß er sich gerade in einem
gewissen Abstande von ihr halten solle« (S. Kierkegaard: Über meine Wirksamkeit als Schriftstel-
ler, GW 23, 4; SKS 13, 12 Anm.): »Sie selber [Kierkegaard und Nietzsche] wissen sich als See-
zeichen; an ihnen ist Orientierung möglich - aber indem man sich in Distanz von ihnen
hält« (»Kierkegaard«, 309). Kierkegaard »will nur ein Seezeichen sein, an dem unser Schiff
sich orientiert, aber vorbeifährt« (»Kierkegaard Heute«, 327), vgl. auch Die großen Philoso-
phen. Nachlaß 2, 899, 904 und Von der Wahrheit, 758: Die Ausnahme »ist wie ein Leuchtturm
an der Grenze der Wege. Sie erhellt und orientiert in den metaphysischen Gründen, aber
sie fordert nicht und zeigt nicht den Weg selbst. An uns herantretend, stößt sie im Erhellen
uns zugleich ab, weist uns auf uns zurück, so daß wir besser, wahrer, klarer unseren eigenen
Weg finden.«
118 Vgl. »Das radikal Böse bei Kant«, 196: »Kant hat den Begriff der Vernunft in ungewohnter
Weise gefaßt. Vernunft ist nicht nur der Verstand, der vermöge der Kategorien gegenständ-
lich denkt. Vernunft ist auch die dem Besonderen in einem Ganzen erst systematische Ein-
heit gebende Idee. Vernunft ist der Grund des sittlichen Handelns. Vernunft ist die Anschau-
ung des Schönen [...] Kants Philosophieren ist seinem Sinne nach eine einzige Erhellung der
Vernunft in allen ihren Gestalten: im Erkennen, im Handeln, im Anschauen des Schönen.«
Der erstmals 1951 publizierte Text geht zurück auf einen Vortrag Jaspers' beim Zürcher »Le-
sezirkel Hottingen« 1936, gehört also unmittelbar in den Kontext von Vernunft und Existenz.
-Ausführlich zu den einzelnen >Gestalten< der Vernunft: Die großen Philosophen, 463-533.
119 abzubrauchenl DWB 1,16: abzunutzen. - Vgl. Philosophie I, 15 (Anm. 1): »Das Sein der Exis-
tenz kann durch einen definierbaren Begriff, der ein wie auch immer geartetes Objektsein
voraussetzen müsste, nicht ausgesagt werden. Das Wort ist zunächst nur eines von denen,
welche Sein bedeuten. Aus dunklem Beginn trat diese Wirklichkeit in die Geschichte ein,
 
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