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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0052
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Grundsätze des Philosophierens

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gegen liegt erst in dem erfüllten Vollzug eines Lebens. In losgelöster Abstraktheit ist
siea nicht absolutb. Sie bedarf des Mitschwingens des metaphysischen Grundes der
menschlichen Wirklichkeit. Ohne den geschieht nur eine automatische Befolgungc
mit der Lust am Gehorsam, amd guten Gewissen, an der Zufriedenheit mit sich, nicht
aber die Wahrheit des Unbedingten, die durch das Gesetz geschützt werden solle. Das
Gesetz ist als Ausdruck der allgemeinen Führung* 1 zugleich Anspruch an die hinzukom-
mende geschichtliche Unbedingtheit im Augenblick.
Wird von allem Inhalt der Gesetze abgesehen, so konzentriert sich die unbedingte
Forderung als Gesetz im kategorischen Imperativ Kants: Handle so, dass du die Ma-
xime deines Handelns als allgemeingültiges Grundgesetz der Welt annehmen kannst, -
oder: Handle so, als ob du durch dein Handeln die Maxime dieses Handelns zum
Grundgesetz einer erst zu schaffenden Welt werden lassen möchtest.48 Dieser katego-
rische Imperativ bedeutet erstens das Gesetz der Gesetzlichkeit überhaupt (dass alles
Tun sich als allgemein notwendig ausweisen müsse), zweitens die Angabe eines Prü-
fungsverfahrens, durch das jeweils das Unbedingte nach der Seite seiner Allgemeingil-
tigkeit offenbar wird, drittens den Ausdruck der Unbedingtheit als solcher. Als Formel
ist dieser Imperativ in der Tat die einfachste und tiefste für die Seite des Allgemeingil-
tigen im Unbedingten. Aber darin liegt auch die Sinngrenze dieses Imperativs. Es fehlt
nicht nur alle inhaltliche Erfüllung derart, dass jeweils ein neues Prinzip notwendig
wird, um diese inhaltliche Erfüllung zu finden, sondern es kann durch ihn die Täu-
schung entstehen, als ob mit dem Allgemeinen der Sinn des Unbedingten erschöpft
sei. Das ist gerade nicht der Fall.
Der Inhalt der unbedingten Forderung wirdg vergeblich im Entwurf der Güter und
Zwecke in der Welt11 entfaltet. Diese sind in ihrer Besonderheit historisch. Die Gesetz-
gebungen der Religionen und Staaten, das reale Ethos von Gemeinschaften haben sie
in zahllosen Abwandlungen aufgestellt.
Was' gesetzlich' fixiert wird, hat die Tendenz, automatisch und errechenbar zu wer-
den. Treue gerät in die Starrheit des seelenlosen Festhaltens, des gedankenlosen Ge-

a sie im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu die Forderung
t> nach absolut im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. und zugleich ungenügend
c nach Befolgung im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. etwa
d nach am im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. fraglosen
e nach soll im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. , aber nicht bewirkt werden kann
f Führung im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Forderung
g nach wird im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. auch
h nach Welt im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. als materiale Ethik
i vor Was im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. Das Unbedingte ist geschichtlich gewiss für sich, aber
zugleich immer als Erscheinung in der Zeit noch suchend. Es wird ständig ursprünglich in der ver-
lässlichen Wiederholung neu gegenwärtig aus dem Umgreifenden.
j vor gesetzlich im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. dagegen
 
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