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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0079
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76

Grundsätze des Philosophierens

Weitende und zur Wiederherstellung aller Dinge. Für diesen Mythus ist die Welt nicht
aus sich, sondern ein vorübergehendes Dasein im Gang eines überweltlichen Gesche-
hens und seiner Führung, die auch im Weltgeschehen die entscheidenden Schritte tut.
Während die Welt etwas Verschwindendes ist, ist Wirklichkeit in der Welt Gott und
Existenz. Was ewig ist, erscheint in der Weltzeit. So weiss um sich auch der Mensch als
Einzelner. Diese Erscheinung hat den Charakter3, dass in ihr für sieb noch entschieden
wird, was an sich ewig ist.
Rückblick79
a. Über die fünf Grundsätze. - Keiner der fünf Grundsätze philosophischen Glaubens
ist beweisbar wie ein endliches Wissen von Gegenständen in der Welt. Ihre Wahrheit
ist nur »aufweisbar« durch Aufmerksammachen oder »erhellbar« durch eine Gedan-
kenführung, oder »zu erinnern« durch Appell und Beschwörungc. Sie sind nicht als
ein Bekenntnis giltig, sondern bleiben trotz der Kraft ihres Geglaubtseins in der
Schwebe des Nichtgewusstseins. Ich folge ihnen nicht, indem ich im Bekennen einer
Autorität gehorche, sondern indem ich mich ihrer Wahrheit mit meinem Wesen nicht
entziehen kann. Das philosophische Bekennen geschieht nicht im Wort, sondern in
der Tat und im Nichttun von etwas; aber auch Tat und Nichttun bleiben wieder viel-
deutig und werden nur dem Glaubenden hell.
Es besteht eine Scheu vor dem glatten Aussprechen der Sätze. Sie werden zu schnell
wie ein Wissen behandelt und haben darin ihren Sinn verloren. Sie werden als Be-
kenntnis zu leicht an die Stelle der Wirklichkeit gesetzt. In der Mitteilung der Sätze
liegt die Verführung zu falschem Anspruch der sie Sprechenden. Sie wollen zwar mit-
geteilt sein, damit Menschen sich in ihnen verstehen, damit sie in Kommunikation
vergewissert werden, damit sie erwecken, wo ein entgegenkommendes Sein es will.
Aber sie verführen durch Eindeutigkeit und Prägnanz der Aussage zu Propaganda, als
ob Wahrheit durch ihre Ausbreitung besser und bewiesener würde, als ob es allen Men-
schen unerlässlich sei, auch so zu glauben. Doch Philosophie hört auf, wo Propaganda
beginnt.
Zum Aussagen gehört Diskussion. Denn wo wir denken, da ist sogleich die Spal-
tung: wir können das Wahre treffen oder verfehlen. Daher ist mit allen positiven Aus-
sagen die Abwehr des Irrtums verbunden, geht neben dem wahren Weg der Irrweg, ge-
schieht neben dem ordnungsgemässen Aufbau des Gedachten die Verkehrung. Weil

a Einzelner. Diese Erscheinung hat den Charakter im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Einzelner;
für ihn hat diese Erscheinung den paradoxen Charakter
t> für sie im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu als Erscheinung durch ihn
c und Beschwörung im Vorlesungs-Ms. 1945/46 gestr.
 
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