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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0081
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78

Grundsätze des Philosophierens

Zweitens aber wird eine positive Antwort auf die Fragen nahegelegt. Diese Antwort
wird (wenn sie auch Beweisstrecken, zwar durchweg negativer, aber auch hinweisen-
der und entwickelnder Art, einschliesst) doch am Ende ein Analogon des Bekenntnis-
ses sein. Der Philosoph soll sein Nichtwissen nicht ausnutzen, um sich jeder Antwort
schlechthin zu entziehen. Philosophisch wird zwar die Reserve zu halten sein, dass ich
nicht weiss, dass ich auch nicht weiss, ob ich glaube; aber ich darf aussprechen, dass
solcher Glaube, in solchen Grundsätzen ausgesprochen, mir sinnvoll scheint, und dass
ich wagen möchte, so zu glauben, und die Kraft haben möchte, daraufhin zu leben.
Im Philosophieren wird immer eine Spannung sein zwischen der scheinbaren Unent-
schiedenheit des schwebenden Aussagens und der Wirklichkeit entschiedenen Sich-
verhaltens. Es ist vielleicht der Kontrast der philosophischen zu einer bei allen Dog-
matikern vorkommenden Haltung, nämlich zum Verhalten eines entschiedenen
Bekennens, Wissens, Meinens bei Unentschiedenheit praktischen Verhaltens und in-
neren Gefühlslebens?
Der Irrtum aber in der Aussage dieser Glaubenssätze beginnt, wo sie als Mitteilung
eines inhaltlichen Etwas genommen werden. Denn im Sinne eines jeden dieser Sätze
liegt nicht ein Gegenstand, sei er gewusst oder geglaubt, sondern das signum einer
konkret werdenden Unendlichkeit. Wo diese Unendlichkeit im Glauben gegenwärtig
ist, da ist das Endlose eine vieldeutige Erscheinung dieses Grundes.
Unser Versuch hat fünf Glaubensgrundsätze ausgesprochen. Die fünf Sätze zeig-
tenb sich aufeinander bezogen. Ihre nähere Erörterung würde entfalten, wie sie sich
gegenseitig stärken und wechselweise auseinander hervortreiben? Aber jeder hat seine
eigene, nur ihm zukommende Überzeugungskraft, seinen eigenen Ursprung in einer
Grunderfahrung der Existenz, hat daher seinen eigenen Wahrheitssinn.
b. Glaube und Aufklärung. - Gegen jeden Glauben scheint die Aufklärung zu ste-
hen. Aufklärung will, so scheint es, den Menschen in seinem Denken auf sich selbst
stellen derart, dass er alles Wahre und ihm Wesentliche durch Verstandeseinsicht er-
reichen kann. Sie will wissen und nicht glauben. Aufklärung hat in beschränktem Um-
fang zu allen geschichtlichen Zeiten stattgefunden. Bewusst ist sie seit dem 17. und 18.
Jahrhundert Anspruch unserer modernen Welt geworden. Aufklärung ist der »Ausgang
des Menschen von seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit« (Kant).81 Sie istd unum-
gänglich mit ihren Gefahren; sie ist zu ergreifen als der Weg, auf dem der Mensch zu

a Es ist vielleicht bis inneren Gefühlslebens, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 gestr.
b zeigten im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu zeigen
c Ihre nähere Erörterung würde entfalten, wie sie sich gegenseitig stärken und wechselweise aus-
einander hervortreiben, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Vdg. zu Sie stärken sich gegenseitig und trei-
ben sich wechselweise auseinander hervor.
d nach ist im Vorlesungs-Ms. 1945/46 hs. Einf. für uns
 
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