Grundsätze des Philosophierens
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Immer ist in der Spaltung das Ganze aus Subjektivität und Objektivität, immer geht
die Intention auf ein Ansich der Objektivität und immer ist diese Objektivität in und
für eine Weise der Subjektivität.
So ist eine mehrfache Subjekt-Objekt-Spaltung: das Dasein ist in seiner Welt als Um-
welt; das Bewusstsein überhaupt steht Gegenständen gegenüber; der Geist lebt in
Ideen. Existenz ist bezogen auf Transcendenz (die Seele auf Gott).84
e. Erscheinungshaftigkeit des Daseins. - Was wir bisher erörterten: das Schwebende
aller Weisen der Realität, der Charakter der Weltbilder als nur relativer Perspektiven,
der Charakter des Erkennens als Auslegung, das Gegebensein des Seins für uns in Sub-
jekt-Objekt-Spaltung, diese Grundzüge des uns möglichen Wissens bedeuten: alle Ge-
genstände sind nur Erscheinungen, kein erkanntes Sein ist das Sein an sich und im
Ganzen. Die Erscheinungshaftigkeit des Daseins, eine Grundeinsicht philosophischen
Denkens, ist von Kant zu voller Klarheit gebracht. Wenn sie auch nicht zwingend, weil
selber nicht gegenständlich, sondern nur transcendierend einsehbar ist, so kann eine
Vernunft, die überhaupt zu transcendieren vermag, sich ihr nicht entziehen. Dann
aber bringt sie nicht zu bisherigem Wissen ein neues einzelnes Wissen hinzu, sondern
erwirkt einen Ruck des Seinsbewusstseins im Ganzen. Daher das plötzliche, aber dann
unverlierbare Licht, das etwa beim Kant-Studium nach kürzerem oder längerem Be-
mühen aufgeht. Bleibt es aus, so bleibt alles Studium Kants im Wissen von im Grunde
unverstandenen, weil unvollzogenen Lehrstücken stecken.
Nicht nur die absoluten Weltbilder sind dahin. Die Welt ist ungeschlossen und für
das Erkennen in sich zerrissen. Das Sein ist im Ganzen kein Gegenstand des Erkennens.
Ontologie ist unmöglich. Statt einer Ontologie kann es philosophisch geben einerseits
die Erhellung der Weisen des Umgreifenden, andererseits die Systematik der Katego-
rien und Methoden des Erkennens.
2. Was ist eigentlich?
Die Frage, was Sein sei, ist eine Grundfrage vom Anbeginn des Philosophierens her.
Vor dem Philosophieren geht sie auf das, was alles als Seiendes vorkommt. Im Philo-
sophieren aber wird gefragt, was an sich oder eigentlich sei. Diese Frage nach dem Sein
wird zugleich Frage nach dem Fragenden. Das Sein muss ein solches sein, das dies Fra-
gen ermöglicht und diesem Fragen zugänglich ist. Wer bin ich, der nach dem Sein
fragt? Die Seinsfrage ist unlösbar von der Frage, was wir selber sind.
a. Allgemeine Übersicht. - Fragen wir, was Realität sei, so machen wir merkwürdige
Erfahrungen:
Wir suchen erstens die Realität äusser uns. Wir wollen die subjektive Erscheinungs-
weise abziehen, um zur Realität selbst zu kommen. Wir dringen z.B. vor unter Abzug
der sinnlichen Subjektivitäten - des Sichtbaren, Hörbaren, Riechbaren - zur objekti-
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Immer ist in der Spaltung das Ganze aus Subjektivität und Objektivität, immer geht
die Intention auf ein Ansich der Objektivität und immer ist diese Objektivität in und
für eine Weise der Subjektivität.
So ist eine mehrfache Subjekt-Objekt-Spaltung: das Dasein ist in seiner Welt als Um-
welt; das Bewusstsein überhaupt steht Gegenständen gegenüber; der Geist lebt in
Ideen. Existenz ist bezogen auf Transcendenz (die Seele auf Gott).84
e. Erscheinungshaftigkeit des Daseins. - Was wir bisher erörterten: das Schwebende
aller Weisen der Realität, der Charakter der Weltbilder als nur relativer Perspektiven,
der Charakter des Erkennens als Auslegung, das Gegebensein des Seins für uns in Sub-
jekt-Objekt-Spaltung, diese Grundzüge des uns möglichen Wissens bedeuten: alle Ge-
genstände sind nur Erscheinungen, kein erkanntes Sein ist das Sein an sich und im
Ganzen. Die Erscheinungshaftigkeit des Daseins, eine Grundeinsicht philosophischen
Denkens, ist von Kant zu voller Klarheit gebracht. Wenn sie auch nicht zwingend, weil
selber nicht gegenständlich, sondern nur transcendierend einsehbar ist, so kann eine
Vernunft, die überhaupt zu transcendieren vermag, sich ihr nicht entziehen. Dann
aber bringt sie nicht zu bisherigem Wissen ein neues einzelnes Wissen hinzu, sondern
erwirkt einen Ruck des Seinsbewusstseins im Ganzen. Daher das plötzliche, aber dann
unverlierbare Licht, das etwa beim Kant-Studium nach kürzerem oder längerem Be-
mühen aufgeht. Bleibt es aus, so bleibt alles Studium Kants im Wissen von im Grunde
unverstandenen, weil unvollzogenen Lehrstücken stecken.
Nicht nur die absoluten Weltbilder sind dahin. Die Welt ist ungeschlossen und für
das Erkennen in sich zerrissen. Das Sein ist im Ganzen kein Gegenstand des Erkennens.
Ontologie ist unmöglich. Statt einer Ontologie kann es philosophisch geben einerseits
die Erhellung der Weisen des Umgreifenden, andererseits die Systematik der Katego-
rien und Methoden des Erkennens.
2. Was ist eigentlich?
Die Frage, was Sein sei, ist eine Grundfrage vom Anbeginn des Philosophierens her.
Vor dem Philosophieren geht sie auf das, was alles als Seiendes vorkommt. Im Philo-
sophieren aber wird gefragt, was an sich oder eigentlich sei. Diese Frage nach dem Sein
wird zugleich Frage nach dem Fragenden. Das Sein muss ein solches sein, das dies Fra-
gen ermöglicht und diesem Fragen zugänglich ist. Wer bin ich, der nach dem Sein
fragt? Die Seinsfrage ist unlösbar von der Frage, was wir selber sind.
a. Allgemeine Übersicht. - Fragen wir, was Realität sei, so machen wir merkwürdige
Erfahrungen:
Wir suchen erstens die Realität äusser uns. Wir wollen die subjektive Erscheinungs-
weise abziehen, um zur Realität selbst zu kommen. Wir dringen z.B. vor unter Abzug
der sinnlichen Subjektivitäten - des Sichtbaren, Hörbaren, Riechbaren - zur objekti-