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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0144
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Grundsätze des Philosophierens

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Art des Gottesglaubens nur einer unter anderen ist, kommen historische Konstellatio-
nen, so die Freiheit für Musse und für zunächst private Absonderlichkeiten bei Einzel-
nen, welche die Wissenschaft - langsam und oft unterbrochen - in Gang brachten.
Gemeinsam ist diesen Schritten durch die Jahrhunderte, dass sie sich des grundsätz-
lich Neuen bewusst werden. Der Anspruch, eine nova scientia zu begründen, das
Hochgefühl des Radikalen, des neuen Offenbarwerdens oder Entdeckens kehrte im-
mer wieder, aber so, dass man jeweils gerade jetzt erst den Beginn des Eigentlichen er-
reicht zu haben glaubte, - ein Zeichen der grundsätzlichen Ungeschlossenheit des
Ganzen. Es ist zu versuchen, einige Züge dieser nova scientia, die sich schärfer heraus-
gearbeitet haben, zu charakterisieren.
1: Auf neue Weise methodisch:118 Die moderne Wissenschaft entstand als entdek-
kende Wissenschaft; sie drang tiefer in die Realität ein und erfasste sie bestimmter[,]
als es je vorher geschehen ist. Das war möglich, weil sie als Forschung auf neue Weise
methodisch wurde.
Zuerst geschah es in den Naturwissenschaften. Sie verfuhren auf folgende Weise:
Ein vorausgehender Entwurf des Gedankens findet Prüfung, d.h. Bewährung oder Wi-
derlegung in der Erfahrung. Die Forschung ist gleichsam ein Kampf mit dem Objekt.
Dieses wird nicht einfach hingenommen, sondern durch jene Entwürfe als nach Mög-
lichkeiten befragt. Das Objekt wird durch Bestimmung dessen, was an ihm zum Ge-
genstand der Forschung wird, gleichsam aufgelöst, um zu sehen, was hinter ihm steckt.
Dabei steigert der Wille zur Gewissheit die Exaktheit des entwerfenden Denkens (tritt
daher zuerst als das Streben nach Quantificierung und Mathematisierung des Realen
auf) und die Exaktheit der Erfahrung (durch Verfeinerung der Beobachtung, insbeson-
dere der Messungen). Die Exaktheit wird bis zum Maximum des Möglichen getrieben,
um die Kriterien, die in der Abweichung oder dem Zutreffen der Beobachtung liegen,
bis zum Äussersten an Verlässlichkeit zu bringen.
Mit dieser Wissenschaft, welche die Gewissheit in ihrer zwingenden Allgemeingil-
tigkeit weiter getrieben hat, als je geahnt wurde, wird zugleich das klare Wissen über
ihre jeweiligen eigenen Voraussetzungen gewonnen. Voraussetzungslos ist sie darin,
dass sie jede Voraussetzung als einen Versuch auffasst, und ferner darin, dass sie Vor-
aussetzungen abweist, die aus unsachlichen Tendenzen die Realität verschleiern oder
verschieben. Sie arbeitet mit Voraussetzungen, die sie als solche weiss und auf ihre ent-
deckende, fruchtbare Kraft hin versucht.
Die Wahrheit der Voraussetzungen in der Forschung zeigt sich durch ihre Wirkung
in der faktischen Erkenntnis. Warum aber Entwürfe zu Entdeckungen führen, andere
Entwürfe versagen, das ist eine weitere Frage, die nicht die Wahrheit im Ergebnis berührt,
sondern in den Wahrheitsprocess der Forschung selber eindringen möchte. Was ist im
Forscher der Ursprung, der unter zahlreichen möglichen vergeblichen Speculationen
einzelne bevorzugt, die übrigen nichtig bleiben lässt? Ist es eine glückliche Wahl aus un-
 
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