Grundsätze des Philosophierens
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Aber diese phantastische Auffassung denaturiert gegen allen Augenschein das ge-
samte Leben auf der Erdoberfläche - mit Ausnahme des Menschen - zu einem Abfallpro-
dukt. Es nimmt dem Leben die ihm überall eigentümliche Wohlgeratenheit und Voll-
endung. Und sie behauptet einen universalen, vermeintlich begreiflichen Vorgang, den
der abfallenden Entwicklung. Ich kann jedoch, dass der Affe aus dem Menschen gewor-
den ist, nicht besser begreifen, als dass der Mensch aus dem Affen geworden ist. -
Die drei Beispiele sollten die Unbegreiflichkeit zeigen, die uns in der Welt begegnet.
Sie ist nicht eine vorläufige, sondern eine grundsätzliche Unbegreiflichkeit.
Was Gegenstand wird, ist insofern begreiflich. Was innerhalb des Feldes einer Idee
in Zusammenhängen der Causalität oder durch systematische Ordnung erfasst wird,
ist insofern begreiflich. Aber die Idee ist in der Wirklichkeit der Welt nur in jeweiligem
Umkreis, nicht im Ganzen objektiv. Sie scheitert im Erkennen, weil das Erkannte in
Brüchen auseinander tritt.
Wenn dann angesichts der Unbegreiflichkeiten schliesslich phantastische Gedan-
ken als Scherze versucht werden, so soll durch sie nur die Unbegreiflichkeit drastisch
vergegenwärtigt werden. Die Voraussetzung der Begreiflichkeit führt in die Irre, wenn
sie zwingen will, unter mehreren absurden Möglichkeiten, äusser denen es keine wei-
teren zu geben scheint, eine zu wählen, nur um zu begreifen. Vielmehr ist grade die
Erfahrung der Unbegreiflichkeit ein radikaler Schmerz des Erkennens und zugleich ein
kostbares Gut, das allein durch rückhaltloses Erkennenwollen erworben wird. Das Un-
begreifliche ist ohne Trug ins Auge zu fassen, um echte Erkenntnis zu gewinnen; aber
die immer partikulare Erkenntnis ist nicht zu verabsolutieren und nicht auszubreiten
ins Unbetretbare.
4. »Unsere Erkenntnis coincidiert mit dem Erkannten.« Diese Voraussetzung schei-
tert daran, dass alles Erkannte für uns nur eine Weise des Erkennens vom erscheinen-
den Gegenstand ist, nicht aber das Umgreifende des Seins selbst und nicht das Ganze
vor Augen bringt. Es ist, als ob alles, was wir erkennen, im Erkanntsein der Leichnam
des Umgreifenden würde. Nur in der Bewegung des Erkennens, und im Überschreiten
jeder bestimmten, als solche erstarrenden Erkenntnis, nähern wir uns durch Erkennen
dem Umgreifenden, ohne es direkt zu erfassen. -
In jeder Gestalt zeigen die Grenzen der Welterkenntnis das gleiche: Das Umgreifende
der Welt ist nicht erschöpft mit der Gesamtheit des gegenständlich Erforschbaren.
II. Erörterung der Principien der Naturrealität
Die Vielfachheit des Naturseins, für unsere Einstellungen zur Natur und in den Wei-
sen ihrer erkennbaren Tatsächlichkeit, führt zu der Frage, was die Natur eigentlich sei.
Welcher Art ist ihre Realität? Wie ist ihre Einheit? Wie ist bei Mannigfaltigkeit der Wei-
sen ihrer Realität und ihrer Einheiten etwa eine Ordnung in Stufen des Naturseins da?
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Aber diese phantastische Auffassung denaturiert gegen allen Augenschein das ge-
samte Leben auf der Erdoberfläche - mit Ausnahme des Menschen - zu einem Abfallpro-
dukt. Es nimmt dem Leben die ihm überall eigentümliche Wohlgeratenheit und Voll-
endung. Und sie behauptet einen universalen, vermeintlich begreiflichen Vorgang, den
der abfallenden Entwicklung. Ich kann jedoch, dass der Affe aus dem Menschen gewor-
den ist, nicht besser begreifen, als dass der Mensch aus dem Affen geworden ist. -
Die drei Beispiele sollten die Unbegreiflichkeit zeigen, die uns in der Welt begegnet.
Sie ist nicht eine vorläufige, sondern eine grundsätzliche Unbegreiflichkeit.
Was Gegenstand wird, ist insofern begreiflich. Was innerhalb des Feldes einer Idee
in Zusammenhängen der Causalität oder durch systematische Ordnung erfasst wird,
ist insofern begreiflich. Aber die Idee ist in der Wirklichkeit der Welt nur in jeweiligem
Umkreis, nicht im Ganzen objektiv. Sie scheitert im Erkennen, weil das Erkannte in
Brüchen auseinander tritt.
Wenn dann angesichts der Unbegreiflichkeiten schliesslich phantastische Gedan-
ken als Scherze versucht werden, so soll durch sie nur die Unbegreiflichkeit drastisch
vergegenwärtigt werden. Die Voraussetzung der Begreiflichkeit führt in die Irre, wenn
sie zwingen will, unter mehreren absurden Möglichkeiten, äusser denen es keine wei-
teren zu geben scheint, eine zu wählen, nur um zu begreifen. Vielmehr ist grade die
Erfahrung der Unbegreiflichkeit ein radikaler Schmerz des Erkennens und zugleich ein
kostbares Gut, das allein durch rückhaltloses Erkennenwollen erworben wird. Das Un-
begreifliche ist ohne Trug ins Auge zu fassen, um echte Erkenntnis zu gewinnen; aber
die immer partikulare Erkenntnis ist nicht zu verabsolutieren und nicht auszubreiten
ins Unbetretbare.
4. »Unsere Erkenntnis coincidiert mit dem Erkannten.« Diese Voraussetzung schei-
tert daran, dass alles Erkannte für uns nur eine Weise des Erkennens vom erscheinen-
den Gegenstand ist, nicht aber das Umgreifende des Seins selbst und nicht das Ganze
vor Augen bringt. Es ist, als ob alles, was wir erkennen, im Erkanntsein der Leichnam
des Umgreifenden würde. Nur in der Bewegung des Erkennens, und im Überschreiten
jeder bestimmten, als solche erstarrenden Erkenntnis, nähern wir uns durch Erkennen
dem Umgreifenden, ohne es direkt zu erfassen. -
In jeder Gestalt zeigen die Grenzen der Welterkenntnis das gleiche: Das Umgreifende
der Welt ist nicht erschöpft mit der Gesamtheit des gegenständlich Erforschbaren.
II. Erörterung der Principien der Naturrealität
Die Vielfachheit des Naturseins, für unsere Einstellungen zur Natur und in den Wei-
sen ihrer erkennbaren Tatsächlichkeit, führt zu der Frage, was die Natur eigentlich sei.
Welcher Art ist ihre Realität? Wie ist ihre Einheit? Wie ist bei Mannigfaltigkeit der Wei-
sen ihrer Realität und ihrer Einheiten etwa eine Ordnung in Stufen des Naturseins da?