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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0228
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Grundsätze des Philosophierens

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chen Lage bewirken auf der Stufe volkswirtschaftlicher Wissenschaft staatswirtschaft-
liche Massnahmen; die Wirkungen zeigen dann wie in einem Versuch die Richtigkeit
oder Falschheit der Voraussetzungen, aber sie bringen auch neue Realitäten hervor,
die jetzt erst einer möglichen Auffassung zugänglich werden. - Jedesmal ist ein Bild
des Ganzen Faktor des realen Geschehens dadurch, dass nach diesem Bilde in mehr
oder weniger weiterem Umfange gehandelt wird.
Dieses Grundverhältnis von Geschichte und Wissen von der Geschichte ist allge-
mein zu formulieren: Wie der Handelnde die Geschichte und seine Stellung in ihr er-
blickt, das ist, da es sein Handeln mitbestimmt, zugleich ein Faktor der realen Ge-
schichte. Wie der Mensch seine Geschichte weiss, das ist ein Moment des im Ganzen
ungewusst bleibenden Geschehens; es wird zur übergreifenden Führung seines Han-
delns. Der Mensch bringt seine Geschichte hervor nicht nur durch Wissen und Wol-
len der jeweiligen Zwecke in seiner Welt, nicht nur durch Handeln ohne Wissen von
dessen Folgen, sondern auch durch ein Handeln aus der Auffassung seiner Geschichte
im Ganzen. Das Geschichtswissen wird, wie es im handelnden Menschen gegenwär-
tig ist, selber ein Moment der Geschichte und macht dadurch Geschichte.
Der tiefste Unterschied innerhalb alles Geschichtlichen scheint daher zwischen
dem, was geschieht, ohne dass jemand es weiss oder darauf reflektiert, und dem zu lie-
gen, was geschieht und zugleich gewusst wird. Dieser Unterschied aber zwischen dem
gewussten, daher entweder gewollten oder bekämpften, Geschehen und dem unge-
wussten, daher unbemerkten und in die Pläne nicht eingerechneten, Geschehen ist in
einer Bewegung, in der sich die Grenze beider verschiebt, indem das Wissen und der
Horizont des von der Geschichte Wissbaren wächst.
Weil das Wissen von der Geschichte selber das Geschehen verändert, entsteht also
das merkwürdige geschichtliche Grundphaenomen, dass der Gegenstand dieses Wis-
sens durch die realen Folgen des Wissens von ihm sich verändert. Geschichtswissen
ist jeweils eine Auffassung des Geschehens seitens des in dem Geschehen stehenden
und wirkenden Menschen. Daher ändert sich nicht nur die Auffassung (das Wissen
von der Geschichte als dem Vergangenen und zu Erwartenden), sondern auch das Auf-
gefasste (die Geschichte selber als Gegenwart und Zukunft). Der Gang der Geschichte
ändert sich durch das ihrer Auffassung entspringende Handeln. So kann es geschehen,
dass die Auffassung schon nicht mehr gilt, wenn sie durch das ihr folgende Handeln
ihren Gegenstand verändert hat. Wenn z.B. eine Revolution ein altes Regime abschafft,
so wird sichtbar, was vorher nicht beachtet wurde. Wer die zerstörten Ordnungen ver-
neinte, kommt jetzt zu neuer Bejahung. Er begreift Causal- und Sinnzusammenhänge
des menschlichen Daseins, die sich erst enthüllen, wenn die Wirkungen der be-
schränkten, zur Revolution führenden Auffassung die Erkenntnis erzwingen. Die Auf-
fassung als solche muss sich erneuern infolge der Verwandlung des Geschehenen, die
zum Teil ohne sie, zum Teil durch sie unablässig vor sich geht. Die Auffassung der Ge-
 
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