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Grundsätze des Philosophierens
Hier scheiden sich die Wege: die Autorität auf dem Wege über das Gesetz oder die
Autorität durch Gewalt als solche.
Die Überwindung der Gewalt durch Verständigung stösst an die Gewalt als Grenze,
der man sich beugen muss, aber nur um von neuem auf dem jeweils gewonnenen Bo-
den Verständigung zu suchen. Hier gilt die Autorität der Gewalt nur soweit sie auf ge-
setzlichem Wege spricht.
Oder die Gewalt als solche wird geradezu durch Autorität erfüllt. Der Sieger und
Herrscher und die auf Grund der Entscheidung durch Generationen fortgesetzte Herr-
schaft ist nicht blos physische Gewalt. Menschen herrschen und tragen in sich Ge-
halte, die in der Herrschaft zur Entfaltung kommen. Soweit die physische Gewalt al-
lein spricht, ist Zwang; soweit der Gehalt zur Geltung kommt, spricht in der Gewalt
Autorität. Der Beherrschte gehorcht entweder nur aus Zwang durch physische Gewalt
und deren Androhung oder auch aus Glauben an Autorität und ihre fraglose Geltung.
Der blossen Gewalt unterwirft sich der Mensch, weil er muss, und nur so lange [,] als
sie unvermindert besteht. Der autoritativ erfüllten Gewalt unterwirft er sich als einer
auch innerlich ergriffenen im wachsenden Verstehen eines sich in der Verwirklichung
offenbarenden Gehalts, im vertrauenden Entgegenkommen, in unbedingter Treue.
Eine Gewalt kann sich auf die Dauer nur halten, wenn sie, wenigstens für einen Teil
der Beherrschten, sich mit dem Gehalt echter Autorität erfüllt. Gewalt kann nur au-
genblicklich zwingen. Zustände lassen sich durch Gewalt allein nicht behaupten. Die
Gewalt wird nicht nur durch Verständigung überwunden, sondern auch durch Ver-
wandlung in Autorität. In der Gewalt muss eine geglaubte Autorität erscheinen.
Dies aber ist möglich auf dem Wege innerlicher, bedingungsloser Unterwerfung.
Die Anerkennung vollzieht sich als blinder Gehorsam gegen die gegebene, absolute
Autorität. Es herrscht die Ehrfurcht vor dem Überlegenen als einem qualitativ Ande-
ren. Die Herrschaft ist ein Mysterium. Ich dulde, was ich nicht begreife, als Handlung
des Herrschers, bin zufrieden in der Hingabe an den Herrschergott oder an den Herr-
scher von Gottes Gnaden. In diesem Sinne ist ein gemeinsamer Zug in den sonst so
verschiedenen Herrschaftsformen der asiatischen Despotie, der katholischen Kirche,
der absolutistischen Staaten der neueren Jahrhunderte, des Zarismus.
Solche Autorität velangt jederzeit ein hohes Mass von faktisch vollzogener Zwangs-
gewalt. Von jeder Autorität - der gewaltsamen wie der gesetzlichen - lässt sich sagen:
Unter Menschenmassen gibt es stets so viele, die unzuverlässig sind, einer inneren Au-
torität unbeirrbar zu folgen, dass eine Autorität für eine Gesamtheit sich nur verwirk-
licht, wenn ihr zugleich auch die Gewalt zur Verfügung steht. Die Autorität der Gewalt
aber ist dadurch charakterisiert, dass ihre Art sich ständig durch unbegriffene Gewalt-
akte zeigt. Dass überall Gewalt herrscht, schafft zugleich das Grauen und die Ehrfurcht,
den Gehorsam und den Glauben.
Grundsätze des Philosophierens
Hier scheiden sich die Wege: die Autorität auf dem Wege über das Gesetz oder die
Autorität durch Gewalt als solche.
Die Überwindung der Gewalt durch Verständigung stösst an die Gewalt als Grenze,
der man sich beugen muss, aber nur um von neuem auf dem jeweils gewonnenen Bo-
den Verständigung zu suchen. Hier gilt die Autorität der Gewalt nur soweit sie auf ge-
setzlichem Wege spricht.
Oder die Gewalt als solche wird geradezu durch Autorität erfüllt. Der Sieger und
Herrscher und die auf Grund der Entscheidung durch Generationen fortgesetzte Herr-
schaft ist nicht blos physische Gewalt. Menschen herrschen und tragen in sich Ge-
halte, die in der Herrschaft zur Entfaltung kommen. Soweit die physische Gewalt al-
lein spricht, ist Zwang; soweit der Gehalt zur Geltung kommt, spricht in der Gewalt
Autorität. Der Beherrschte gehorcht entweder nur aus Zwang durch physische Gewalt
und deren Androhung oder auch aus Glauben an Autorität und ihre fraglose Geltung.
Der blossen Gewalt unterwirft sich der Mensch, weil er muss, und nur so lange [,] als
sie unvermindert besteht. Der autoritativ erfüllten Gewalt unterwirft er sich als einer
auch innerlich ergriffenen im wachsenden Verstehen eines sich in der Verwirklichung
offenbarenden Gehalts, im vertrauenden Entgegenkommen, in unbedingter Treue.
Eine Gewalt kann sich auf die Dauer nur halten, wenn sie, wenigstens für einen Teil
der Beherrschten, sich mit dem Gehalt echter Autorität erfüllt. Gewalt kann nur au-
genblicklich zwingen. Zustände lassen sich durch Gewalt allein nicht behaupten. Die
Gewalt wird nicht nur durch Verständigung überwunden, sondern auch durch Ver-
wandlung in Autorität. In der Gewalt muss eine geglaubte Autorität erscheinen.
Dies aber ist möglich auf dem Wege innerlicher, bedingungsloser Unterwerfung.
Die Anerkennung vollzieht sich als blinder Gehorsam gegen die gegebene, absolute
Autorität. Es herrscht die Ehrfurcht vor dem Überlegenen als einem qualitativ Ande-
ren. Die Herrschaft ist ein Mysterium. Ich dulde, was ich nicht begreife, als Handlung
des Herrschers, bin zufrieden in der Hingabe an den Herrschergott oder an den Herr-
scher von Gottes Gnaden. In diesem Sinne ist ein gemeinsamer Zug in den sonst so
verschiedenen Herrschaftsformen der asiatischen Despotie, der katholischen Kirche,
der absolutistischen Staaten der neueren Jahrhunderte, des Zarismus.
Solche Autorität velangt jederzeit ein hohes Mass von faktisch vollzogener Zwangs-
gewalt. Von jeder Autorität - der gewaltsamen wie der gesetzlichen - lässt sich sagen:
Unter Menschenmassen gibt es stets so viele, die unzuverlässig sind, einer inneren Au-
torität unbeirrbar zu folgen, dass eine Autorität für eine Gesamtheit sich nur verwirk-
licht, wenn ihr zugleich auch die Gewalt zur Verfügung steht. Die Autorität der Gewalt
aber ist dadurch charakterisiert, dass ihre Art sich ständig durch unbegriffene Gewalt-
akte zeigt. Dass überall Gewalt herrscht, schafft zugleich das Grauen und die Ehrfurcht,
den Gehorsam und den Glauben.