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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0405
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402

Grundsätze des Philosophierens

rierenden Gewalt. Er vollzieht im Grossen, was im Kleinen alltäglich verschleiert ge-
schieht. Er ergreift die Gewalt an der Stelle, wo sie als legitim gilt, um die Gewalt im
Ganzen auf ein Minimum einzuschränken. Seine Idee ist die wachsende Daseinsord-
nung in Verständigung.
Es ist ein Wechselverhältnis von Menschenartung und politischem Zustand. Was
politisch geschieht, bewirkt die Gesamtstimmung eines Zustandes. Die Menschen der
unendlich geduldigen Verständigung, mit der Bereitschaft zu der mit Energie einge-
schränkten Gewalt, tragen, im Unterschied von Heiligen und Gewaltmenschen, die
Substanz möglicher Zukunft. Die wahren Herrscher wären solche, die an der Macht
keine Lust haben und siea nur widerwillig aus Pflicht ergreifen. In der Realität pflegt
aber der Wille zur Macht der unerlässliche Antrieb zu sein, ohne den nur wenige Men-
schen in den Gang der Dinge eingreifen.
Die Abgleitungen des Verständigungswillens dürfen nicht mit ihm selber verwech-
selt werden: der flache Schein vordergründlichen Verstehens, der nur eine Form des
Verschleierns ist; - das passive Sichgefallenlassen ohne unablässige Teilnahme am An-
deren; - die Unwahrhaftigkeit scheinbaren Ausschlusses der Gewalt. Wie die Heilig-
keit in gewalttätigen Pacifismus entgleiten kann, so der Verständigungswille in gewalt-
lose Passivität.
Mit der Gewalt - und allem, was in ihrem Gefolge an List, Betrug, Lüge geschieht -
ist die Grundproblematik verknüpft, die im Politischen ihren unerbittlichsten Aus-
druck findet. Der Heilige handelt nicht. Betont moralische Menschen (Gesinnungs-
ethiker) handeln aus Gesinnung nach feststehenden Gesetzen, mag daraus Unheil
entstehen, was will; sie stellen den Erfolg Gott anheim, wollen etwa nicht lügen, keine
Gewalt gebrauchen.275 Entgegengesetzt handeln die Erfolgsethiker. Sie fragen nach
dem Zweck, den sie erreichen wollen, dann sind ihnen alle Mittel, die den Erfolg vor-
lügen, recht.276 Jene lehnen Verantwortung für den Erfolg ab, diese kennen keine Ver-
antwortung. Verantwortung wird erst da von Gewicht, wo für den Gemeinschaft in
Verständigung suchenden Menschen der Zusammenhang der Dinge Gewalt erfordert.
Wer sich mit den diabolischen Mächten einlässt - und wer verwirklichen will, kommt
nicht darum herum -, will weder diabolisch werden, noch die Welt zugunsten seiner
doktrinären ethischen Auffassung ihrem Gang überlassen. Er übernimmt Verantwor-
tung für seine sittlichen Motive und den Erfolg zugleich. Was durch ihn geschieht, da-
für haftet er; er kann es nicht auf etwas anderes abwälzen, das etwa Schuld für den Miss-
erfolg habe. Die Grundgesinnung der Verwirklichung in der Welt sieht sich einer
unlösbaren Spannung ausgesetzt. Dieser Spannung entzieht der Mensch sich sowohl
durch die Eindeutigkeit abstrakter Gesinnungsethik (gehe die Welt zu Grunde, wenn
ich nur recht handle) wie durch die Nichtigkeit einer Erfolgsethik (der Zweck heiligt

nach sie im Ms. gestr., wie die Philosophen Platos,
 
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