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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0419
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4i6

Grundsätze des Philosophierens

Wo dämonologische Anschauung ursprünglich ist, da ist in ihr eine existentiell er-
fahrene Wirklichkeit. Die Wahrnehmung der Dämonen bedeutet schon aktive Aus-
einandersetzung mit ihnen, Kampf oder Hingabe. Der reinen Betrachtung zeigen sie
sich nicht als nur in unwirklichen Phantasien. Es wird immer eine Täuschung, sie als
Realitäten zu behandeln, als Fakticitäten hinzunehmen, mit ihnen zu rechnen/
Von Dämonen und vom Dämonischen wird in mehrfachem Sinne gesprochen.
Heute, wo diese Worte und diese Deutungsweise allzugern gebraucht werden, ist eine
Vergegenwärtigung dessen nützlich.
Die eben erörterte Anschauung ist eine absichtliche Wiederholung oder Wieder-
herstellung der ursprünglichen mythischen Denkweise. Dämonen waren dort Zwi-
schenwesen zwischen Göttern und Menschen, sind niedere Götter. Sie treten auf als
gute und böse Dämonen, als Genien und Schutzengel, als Naturseelen, als Geister die-
ses Ortes, dieser Landschaft, als personificierte Mächte der uns beherrschenden Lei-
denschaften usw. Diese Dämonisierung des Daseins istb universal, die Anschauung
eine Totalanschauung, eine Grundweise des gesamten Seinsbewusstseins.
Anders wird es, wo das Dämonische der Ausdruck wird für etwas Specifisches, aber
zugleich Unfassliches, das an der Grenze des Geschehens wie meines eigenen Wollens
und Wesens, obgleich nichtc wahrgenommen, doch wie ein Aktives im Gang der Dinge
wenigstens einen Augenblick vorgestellt wird. Hier handelt es sich nicht mehr um dä-
monologische Weltanschauung, sondern um bildlichen Ausdruck für ein im Ganzen
Unbegriffenes, für ein Ungewolltes, Verkehrendes, Zufälliges, das wie aus einem eige-
nen Ursprung überwältigend einwirkt. Es ist nicht mehr von Dämonen die Rede, son-
dern vom Dämonischen. Dafür einige, unter sich wiederum heterogene Beispiele:
i. Goethe spricht vom Dämonischen unüberbietbar eindringlich, aber gerade so,
dass seine Unfasslichkeit sein Wesen bleibt.292 Denn es bewegt sich nur in Widersprü-
chen und ist unter keinen Begriff zu bringen. Daher wird auch bei Goethe das Dämo-
nische nicht zu einem Begriffe, sondern bleibt ein unendlich vieldeutiges Wort, das
er eigentlich gegenüber allem Unbegriffenen anwendet, wenn er dieses als das Geheim-

a nach rechnen, im Vorlesungs-Ms. 1945/46Einf. 11 Die grosse Alternative bleibt: Göttlich als dämo-
nisch oder Gott als Transcendenz, - innerweltliche »Mächte« oder transcendenter Grund. 11 Der
Einbau des Dämonischen in das vom Gottesgedanken her bestimmte Seinsbewusstsein geschieht
entweder durch Verwandlung aus Mächten in mögliche Sprache, in Chiffern der Transcendenz,
oder durch mythische Unterordnung als Engel, Boten und Mittler der Gottheit. Die Dämonolo-
gie verschwindet oder wird unter Kontrolle gestellt. 11 Wird die Alternative nicht zu klarem Ent-
schluss, so bringt das Durcheinander der Anschauung auch Verwirrung in Stimmung, Erleben
und Haltung des Menschen. Und rückwirkend wird die dämonologische Anschauung zur Recht-
fertigung aller Verwirrung und Unverlässlichkeit. 11
t> nach ist im Vorlesungs-Ms. 1945/46 Einf. historisch
c nach nicht im Vorlesungs-Ms. 1945/46Einf. geradezu
 
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