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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0528
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X. Teil'
Geschichte der Philosophie

Die Philosophie ist so alt wie die Religion und älter als alle Kirchen.461 Sie ist durch die,
wenn auch immer vereinzelte, Höhe und Reinheit ihrer menschlichen Erscheinungen
und durch die Wahrhaftigkeit ihres Geistes der kirchlichen Welt gewachsen, vielleicht
überlegen13. Aber sie ist ihr gegenüber in Ohnmacht mangels eigener sociologischer
Gestalt. Sie lebt in zufälligem Schutz verschiedenster Mächte, auch kirchlicher. Sie be-
darf glücklicher sociologischer Situationen, um sich objektiv im Werk zu zeigen. Ihre
eigentliche, innere Wirklichkeit ist jedem Menschen jederzeit offenc.
Die Kirche zeigt durch historisch bestimmte, nur in ihrer eigenen jeweiligen Ge-
schichte gegründete Ordnungen die in dieser Gebundenheit ergreifbaren Möglichkei-
ten. Die Philosophie zeigt die uralten, alle Geschichte umfassenden, immer gegenwär-
tigen, zeitlich kulturell0 völkisch politisch am wenigsten gebundenen Wege. Die
Kirche ist für Alle, die Philosophie für Einzelne. Die Kirche ist eine sichtbare Machtor-
ganisation der Menschenmassen in der Welt. Die Philosophie ist Ausdruck einer Ari-
stokratie der Geister, die durch alle Völker und Zeitalter hindurch mit einander ver-
bunden sind in einer Zugehörigkeit, von der niemand weiss, ob ere dazu bestimmt ist
oder nicht, ohne Instanz in der Welt, die entscheidet, die ausschliesst oder aufnimmt.
Solange die Kirche dem Ewigen verbunden ist, ist ihre Machtf hinreissend aus dem
Innersten der Seele. Je mehr sie das Ewige in den Dienst ihrer Zeitlichkeit, d.h. ihrer
Macht in der Welt stellt, desto unheimlicher, aber auch vergänglicher wird dann diese
böse Macht.

a statt X. Teil im Ms. und in der Abschrift Gertrud Jaspers VI. Teil
b der kirchlichen Welt gewachsen, vielleicht überlegen in einer späteren Bearbeitung hs. Vdg. zu der
kirchlichen Welt, die sie als das Andere bejaht, nicht immer, aber zumeist gewachsen
c nach offen in einer späteren Bearbeitung hs. Einf. , - sie ist in irgendeiner Gestalt allgegenwärtig, wo
Menschen leben
d nach kulturell in einer späteren Bearbeitung hs. Einf. und
e nach er in einer späteren Bearbeitung hs. Einf. selbst
f ihre Macht in einer späteren Bearbeitung hs. Vdg. zu ihre äussere Macht zugleich
 
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