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Carrara, Laura [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Radtki-Jansen, Christine [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0256
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Diplomaten und Anekdoten

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dies durchschaut hat, lässt sich nicht beurteilen. Es ist wohl kaum hilfreich, ihn nun
vom tumben Mönch (um das Bild ein letztes Mal zu verwenden) zum hörigen Propa-
gandisten des Kaiserhauses umzuwidmen. In jedem Fall passt die Eulalios-Geschichte
ungeachtet ihrer ungewöhnlich starken Tendenz zur Individualisierung von Kaisertu-
genden wunderbar in das die zweite Hälfte der Chronographia beherrschende Thema
des Wechselspiels zwischen göttlichem und kaiserlichem Handeln. Malalas integrierte
diese Geschichte also, weil sie sein Narrativ auf eingängige und unterhaltsame Art und
Weise unterstützte.
5. Fazit
Auf den vorangehenden Seiten konnte der auf das Vorwort der Chronographia zurück-
gehende und in der Forschung wiederholt geäußerte Verdacht, Malalas habe münd-
liche Quellen genutzt, anhand zweier Fallbeispiele erhärtet werden. So geht die Dar-
stellung des so genannten „Ewigen Friedens“, die ein außerordentliches Detailwissen
über die Abläufe der vorangegangenen Vorhandlungen offenbart, mit einiger Wahr-
scheinlichkeit auf das Anzapfen besonderer, diplomatischer Informationskanäle zu-
rück. Als Basis dienten Malalas einerseits Briefe und Berichte der am Friedensprozess
Beteiligten, andererseits aber auch zusätzliche, wohl am ehesten über den direkten
Kontakt mit den Beteiligten oder ihrem Umfeld zu erklärende Informationen z.B. zu
Gesandtschaftswegen oder übergeordneten politischen Zusammenhängen. Es wurde
nahegelegt, dass Malalas an diese Informationen über das Umfeld des im Laufe des
Verhandlungsprozesses mehrfach in Antiochia weilenden magister officiorum Hermo-
genes gelangte. An anderer Stelle scheint Malalas nicht nur Einzelinformationen bzw.
-erkenntnisse, sondern ganze Narrative aufgegriffen zu haben. Wiederholt präsen-
tiert er in seiner Schrift volkstümlich anmutende Geschichten, die in der Forschung
ebenfalls mit Mündlichkeit in Verbindung gebracht worden sind und von denen hier
exemplarisch die über Eulalios und seine Töchter betrachtet wurde. Der besondere
inhaltliche und strukturelle Charakter der entsprechenden Passage wurde dabei als
starkes Indiz dafür bewertet, dass eine mündliche Tradition hier in der Tat zugrunde
liegt. Die Integration solcher, womöglich im Umfeld des Kaisers lancierter, aber fol-
kloristisch anschlussfähiger Geschichten in die Chronographia dokumentiert die ge-
sellschaftliche Relevanz von Themen wie Erbschaftsregelungen für die Zeitgenossen.
Was sagen diese Beobachtungen nun über Malalas und seine Schrift aus? Die
Informationsquellen, die in den beiden untersuchten Fällen angezapft wurden, liegen
offenkundig auf ganz unterschiedlichen Niveaus. Während Malalas bei der Betrach-
tung des Friedensschlusses klassische ,Ereignisgeschichte4 präsentiert, gehört die Ge-
schichte über Eulalios zu den vielen Kuriosa, die für Malalas wie auch für die spätere
byzantinische Chronistik so charakteristisch sind und die eigentliche4 Erzählung auf
den ersten Blick ganz unsachgemäß zu unterbrechen scheinen. Das Aufeinandertref-
fen solch unterschiedlicher Erzählformen könnte man als Anhaltspunkt dafür werten,
dass Malalas hier ganz und gar verschiedene Vorlagen kritikfrei und ohne kohärente
 
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