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Carrara, Laura [Editor]; Meier, Mischa [Editor]; Radtki-Jansen, Christine [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 2): Die Weltchronik des Johannes Malalas: Quellenfragen — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51242#0372
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Eine Verschwörung gegen Justinian im Jahre 562

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Genuss der kaiserlichen Gnade.91 Diese ungewöhnlich milde Behandlung reflektiert
vielleicht die exponierte gesellschaftliche Stellung der Beteiligten, vielleicht auch die
geschwächte Stellung des alten und kranken Kaisers. Beiisars „Leute“ jedoch wurden
verbannt, was vermutlich eine Vermögenskonfiskation mit einschloss, auch wenn dies
nicht expresses verbis gesagt wird. Waren damit alle Personen gemeint, die zum (rie-
sigen) Haushalt des Beiisar gehörten? Insbesondere seine Bukellarier müssen sehr
zahlreich gewesen sein und stellten sicher auch ein gewisses Gefahrenpotential dar.
Oder verbergen sich hinter den πάντας τούς ανθρώπους ΒεΛι,σσαρίου92 nur
einige Personen aus der unmittelbaren Umgebung Beiisars? Vielleicht sind die im
Prozessbericht eigens erwähnten Banker Isaak und der optio Paulos gemeint (sowie
vielleicht noch weitere Personen, die in die hier untersuchten Vorgängen involviert
waren). Diese Fragen müssen offen bleiben.
Gemäß der geltenden Rechtslage waren ganz andere Strafen möglich (ganz abge-
sehen davon, dass der Kaiser stets - legibus solutus - äußerste Härte oder aber Gnade
walten lassen konnte). Ausgehend von der lex Julia majestatis (C. 9.8) und folgenden
Gesetzen galten die härtesten Strafen für Umsturzversuche oder versuchten Mord
am regierenden Kaiser. Das konfiszierte Vermögen der Verschwörer ging dann als
bona damnatorum an die Finanzabteilungen der comitiva rerum privatarum. Es galt
die berüchtigte lex quisquis (C. 9.8.5 = CTb. 9.14.3 [4.9.397 4n Ankyra erlassen durch
Arkadios]), nach der nicht nur Aufrührer, Verschwörer usw. (schuldig eines Majes-
tätsverbrechens, maiestas) hinzurichten und zu enteignen waren, sondern auch de-
ren Familien.93 Wenn man so will, wurde durch dieses Gesetz die Sippenhaft in
die Rechtsgeschichte eingebracht. Diese Gesetzeslage ermöglichte also härteste Stra-
fen. Davon aber, so scheint es, sah man in diesem Fall ab. Ich gestehe, dass mir die
Gründe dafür nicht völlig klar sind. Allein auf einen Akt der philanthropia des Kaisers
zu rekurrieren,94 geht wohl in die Irre. Bestimmte politische Machtkonstellationen
(oder wirtschaftliche bzw. pekuniäre Interessen), die dafür verantwortlich gewesen
sein mögen, sind heute nicht mehr ermittelbar - man sollte sie jedoch voraussetzen.95

91 Dies ist der historische Kern der in späteren Jahrhunderten verbreiteten Beiisarlegende. Über die Ursache
für die sehr milden Strafen kann man nur spekulieren; siehe Troianos (1992) zum ,normalen' Strafmaß in
Fällen von Hochverrat.
92 Malalas, Chronographia XVIII141 (S. 428,71 Thurn); siehe auch Excerpta de Insidiis S. 175, 9-10 de Boor
καί πέμψας ό βασιλεύς έπήρε τούς ανθρώπους τού ΒεΛισαρίου, καί ούκ αντέστη, άλλα
πάντας έπεμψε τώ βασιλεύ
93 Zu diesem berühmt-berüchtigten Gesetz siehe schon die bekannte Abhandlung von Gothofredus
(1654); ferner Kübler (1928), S. 554-558; Avenarius (2010), mit neuerer Literatur; weitere Literatur in
Brandes (2014), S. 239-240 mit Anm. 2.
94 Siehe zu philanthropia Hunger (1964), S. 143-154 und
95 Man vergleiche auch die Überlegungen von Meier (2003), S. 269, der diese Alternativen anbietet: 1) die
Verschwörer waren zu mächtig und unverzichtbar; 2) Justinian wollte seine „Milde“ (als zentrale
Herrschertugend) demonstrieren oder 3) der Kaiser war nicht mehr in der Lage, in dieser entscheidenden
Situation adäquat zu handeln. Vermutlich ist die erste Erklärung die zutreffende. Doch erlaubt letztlich
die dürftige Quellenlage keine eindeutige Entscheidung.
 
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