Wolfram Brandes
376
praefectuspraetorioper Orientem Petros Barsymes129 und der führende Finanzmanager
unter Kaiser Anastasios, Marinos,130 ursprünglich argyropratai gewesen waren.
Es fällt noch ein weiterer Umstand auf, der diese Verschwörung von anderen un-
terscheidet (zumindest in der Darstellung des Johannes Malalas): Es wird keine Per-
son genannt, die zum neuen Kaiser ausgerufen werden sollte. Was nutzt der Mord an
einem Kaiser, wenn nicht sofort ein vorzeigbarer Nachfolger bereit steht? Vermutlich
gab es diesen, aber Malalas nennt ihn nicht. Über die Ursache dieses eigenartigen
Umstandes kann man nur spekulieren.
Als eine Möglichkeit könnte man ins Auge fassen, dass Johannes Malalas hier
einer schriftlichen Quelle mit einem spezifischen Charakter folgte. Für diese An-
nahme spricht schon die Menge der genannten Namen (sowohl die der Verschwörer
wie auch derjenigen, die mit der Aufdeckung des Komplotts befasst waren sowie des
Richters und dessen Personals) und die jeweiligen genauen Angaben zu Ämtern und
Titeln, was sonst so nicht anzutreffen ist. All das deutet - so meine Hypothese - auf
einen Text, den man als ein vom Hof herausgegebenes Bulletin ansehen könnte. Das
wäre dann durchaus vergleichbar mit Malalas’ (ebenfalls detailreichen) Darstellung
des Nika-Aufstandes im Jahre 532, wofür Roger Scott schon vor vielen Jahren eine of-
fizielle Quelle nachgewiesen hat.131 Wir hätten also - vorausgesetzt, diese Überlegung
ist zutreffend - bei Malalas’ Schilderung der Ereignisse um die Verschwörung des
Jahres 562 mit der offiziellen Propagandaversion der Geschehnisse zu tun.
Um einem besseren Verständnis der hier behandelten Vorgänge etwas näher zu
kommen, ist ein Verweis auf die turbulenten Ereignisse der Jahre um 562 notwendig.
Zuerst ist festzuhalten, dass Justinian alt war und vermutlich längst nicht mehr so
aktiv wie in seinen jungen Jahren. Sicher hatten bereits Überlegungen wegen seiner
Nachfolge gegeben. An der Nordgrenze hatte man es seit 559 mit den Kutriguren und
den Utriguren zu tun. Die bewährte byzantinische Diplomatie schaffte es, dass diese
kriegerischen Stämme sich gegenseitig bekämpften; das kostete aber - natürlich - viel
Geld. Slawen und Awaren verheerten den Balkan und stießen im April 559 gar gegen
Konstantinopel vor. Justinian übergab dem (inzwischen auch nicht mehr jungen) Be-
lisar den Oberbefehl bei der Verteidigung der oströmischen Hauptstadt.132 Er konnte
sich nochmals auszeichnen. 560 war Justinian darüber hinaus offenbar schwer er-
krankt. Er genas und befahl für den 9. September die Illuminierung Konstantinopels.
Dies war die Situation, in der der kourator Aitherios - wie bereits erwähnt - verdäch-
tigt wurde, zusammen mit einem ^oz/ra/or-Kollegen, den Kaiser stürzen zu wollen.133
In Antiochia (bzw. was von der Stadt nach zahlreichen Erdbeben und persischen Er-
129 PLRE III, s.n. Petrus 9, S. 999-1002; siehe auch Brandes (2002), S. 106,138,313-314, 624 mit Anm. 21;
Delmaire (1989b), S. 269-272.
130 PLRE II, s.n. Marinus 7, S. 726-727; siehe Brandes (2002), S. 65-66,86-87; Delmaire (1989b), S. 238-239
und zuletzt Meier (2007).
131 Scott (1985).
132 Malalas, Chronographia XVIII 129 (S. 421, 91-96 Thurn), erschlossen aus Theophanes, Chronographia
AM 6051 (S. 233,14-20 de Boor); Agathias, Historiae V 14-15; Stein (1949), S. 538-539; RKOR Nr. 1430,
1431 (S. 342).
133 Siehe oben Anm. 13 und Anm. 90.
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praefectuspraetorioper Orientem Petros Barsymes129 und der führende Finanzmanager
unter Kaiser Anastasios, Marinos,130 ursprünglich argyropratai gewesen waren.
Es fällt noch ein weiterer Umstand auf, der diese Verschwörung von anderen un-
terscheidet (zumindest in der Darstellung des Johannes Malalas): Es wird keine Per-
son genannt, die zum neuen Kaiser ausgerufen werden sollte. Was nutzt der Mord an
einem Kaiser, wenn nicht sofort ein vorzeigbarer Nachfolger bereit steht? Vermutlich
gab es diesen, aber Malalas nennt ihn nicht. Über die Ursache dieses eigenartigen
Umstandes kann man nur spekulieren.
Als eine Möglichkeit könnte man ins Auge fassen, dass Johannes Malalas hier
einer schriftlichen Quelle mit einem spezifischen Charakter folgte. Für diese An-
nahme spricht schon die Menge der genannten Namen (sowohl die der Verschwörer
wie auch derjenigen, die mit der Aufdeckung des Komplotts befasst waren sowie des
Richters und dessen Personals) und die jeweiligen genauen Angaben zu Ämtern und
Titeln, was sonst so nicht anzutreffen ist. All das deutet - so meine Hypothese - auf
einen Text, den man als ein vom Hof herausgegebenes Bulletin ansehen könnte. Das
wäre dann durchaus vergleichbar mit Malalas’ (ebenfalls detailreichen) Darstellung
des Nika-Aufstandes im Jahre 532, wofür Roger Scott schon vor vielen Jahren eine of-
fizielle Quelle nachgewiesen hat.131 Wir hätten also - vorausgesetzt, diese Überlegung
ist zutreffend - bei Malalas’ Schilderung der Ereignisse um die Verschwörung des
Jahres 562 mit der offiziellen Propagandaversion der Geschehnisse zu tun.
Um einem besseren Verständnis der hier behandelten Vorgänge etwas näher zu
kommen, ist ein Verweis auf die turbulenten Ereignisse der Jahre um 562 notwendig.
Zuerst ist festzuhalten, dass Justinian alt war und vermutlich längst nicht mehr so
aktiv wie in seinen jungen Jahren. Sicher hatten bereits Überlegungen wegen seiner
Nachfolge gegeben. An der Nordgrenze hatte man es seit 559 mit den Kutriguren und
den Utriguren zu tun. Die bewährte byzantinische Diplomatie schaffte es, dass diese
kriegerischen Stämme sich gegenseitig bekämpften; das kostete aber - natürlich - viel
Geld. Slawen und Awaren verheerten den Balkan und stießen im April 559 gar gegen
Konstantinopel vor. Justinian übergab dem (inzwischen auch nicht mehr jungen) Be-
lisar den Oberbefehl bei der Verteidigung der oströmischen Hauptstadt.132 Er konnte
sich nochmals auszeichnen. 560 war Justinian darüber hinaus offenbar schwer er-
krankt. Er genas und befahl für den 9. September die Illuminierung Konstantinopels.
Dies war die Situation, in der der kourator Aitherios - wie bereits erwähnt - verdäch-
tigt wurde, zusammen mit einem ^oz/ra/or-Kollegen, den Kaiser stürzen zu wollen.133
In Antiochia (bzw. was von der Stadt nach zahlreichen Erdbeben und persischen Er-
129 PLRE III, s.n. Petrus 9, S. 999-1002; siehe auch Brandes (2002), S. 106,138,313-314, 624 mit Anm. 21;
Delmaire (1989b), S. 269-272.
130 PLRE II, s.n. Marinus 7, S. 726-727; siehe Brandes (2002), S. 65-66,86-87; Delmaire (1989b), S. 238-239
und zuletzt Meier (2007).
131 Scott (1985).
132 Malalas, Chronographia XVIII 129 (S. 421, 91-96 Thurn), erschlossen aus Theophanes, Chronographia
AM 6051 (S. 233,14-20 de Boor); Agathias, Historiae V 14-15; Stein (1949), S. 538-539; RKOR Nr. 1430,
1431 (S. 342).
133 Siehe oben Anm. 13 und Anm. 90.