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Jonas Borsch, Olivier Gengler
Zusammenhang naturgemäß der chronikalischen Überlieferung gelten;9 doch auch
andere Schriftformen von der zeitgenössischen klassizistischen Geschichtsschreibung
über die Hagiographie bis hin zur Gesetzgebung sind dabei von Interesse.10 Eine
wichtige Rolle spielen aber auch nicht-textliche Formen der memoria, insbesondere in
der materiellen Überlieferung, sowie bei gemeinschaftlichen Gedenkveranstaltungen
wie z.B. Prozessionen.11
Eine weitere Frage betrifft die Zielrichtung der memoria·. Geht es um die zukunfts-
gerichtete, intentionale Etablierung von Erinnerung für die Nachwelt oder um das
Aufgreifen bzw. die Konstruktion von faktisch bzw. theoretisch Vergangenem? Beides
hängt natürlich zusammen, was sich auch in den Beiträgen des Bandes widerspiegelt,
die sowohl Versuche der aktiven Etablierung von Interpretationen als auch die langen
Wege der Herausbildung von Vergangenheit(en) über die Zeiten hinweg, in unter-
schiedlichen Medien oder durch unterschiedliche Gruppierungen behandeln.12
Schließlich liegen auch die Gegenstände der Erinnerung auf unterschiedlichen
Ebenen: Sie können sich auf,mythische4 oder ,historische4 Ereignisse beziehen (die
Grenzen verlaufen fließend), auf Personen und Personengruppen, aber auch auf abs-
traktere Entitäten wie z.B. Lieder oder Jahrestage und deren historische Konnotatio-
nen. Die Bezüge der memoria sind dabei mehrbödig: Eine Statue etwa dient in einer
„memoria ,erster Ordnung444 zunächst einmal als Erinnerungsträger für das spezifische
Ereignis, aus dessen Anlass sie aufgestellt worden war. Sie kann aber auch eine „me-
moria ,zweiter Ordnung4“ entstehen lassen, die alleine durch die Präsenz im Stadtbild
und die Interaktion mit anderen Monumenten hervorgerufen wird und die ihrerseits
die erste Form der memoria durch symbolische Überhöhung bestärkt.13 Themenbe-
reiche, die im Zusammenhang mit Malalas von besonderem Interesse sind, betreffen
vorzugsweise die Kaiser-, Kirchen- und Stadtgeschichte, aber auch bestimmte Perso-
nenkreise, seien es die Kaiser der Gegenwart und Vergangenheit, die weltlichen und
kirchlichen Eliten, christliche Märtyrer oder die Autoren des klassischen Bildungs-
kanons.14
9 Vgl. dazu neben den Beiträgen zu Malalas selbst v.a. diejenigen zur zeitgenössischen lateinischen
Chronistik (Carlo Scardino) sowie zum byzantinischen Chronicon Paschale (Christian Gastgeber, Erika
Juhäsz).
io Siehe die Beiträge von Raf Praet (Malalas, Cassiodor und Johannes Lydos), Hanns Christof Brennecke
(Vita Danielis} und Olivier Gengler (justinianische Gesetzgebung).
ii Siehe die Beiträge von Sebastian Watta (Mosaiken) und Philipp Niewöhner (öffentliche Monumente
in Milet) sowie von Karl-Joachim Hölkeskamp (Monumente und „performative Medien“ in Rom).
i2 Zur zukunftsgerichteten Etablierung von (personen- oder gruppenbezogenen) Bildern siehe insbeson-
dere die Beiträge von Karl-Joachim Hölkeskamp und Sebastian Watta; zu unterschiedlichen Ausfor-
mungen einzelner Ereignisse bzw. Ereigniskomplexe vgl. etwa die Beiträge von Laura Mecella (rö-
misch-parthische Kriege) und Volker Menze (Konzil von Chalkedon).
13 Vgl. Hölkeskamp (2012), S. 397-402, insbes. 399-400,401-402.
14 Zur Kaisergeschichte bzw. deren Personen siehe die Beiträge von Jonas Borsch, Laura Mecella, Hanns
Christof Brennecke und Olivier Gengler, zur Kirche insbes. den Beitrag von Volker Menze, zur Stadt-
geschichte Emanuèle Caire und Philipp Niewöhner, zu den Eliten ders. und Sebastian Watta, zu den
Märtyrern Erika Juhäsz, zu den Autoren Christian Gastgeber.
Jonas Borsch, Olivier Gengler
Zusammenhang naturgemäß der chronikalischen Überlieferung gelten;9 doch auch
andere Schriftformen von der zeitgenössischen klassizistischen Geschichtsschreibung
über die Hagiographie bis hin zur Gesetzgebung sind dabei von Interesse.10 Eine
wichtige Rolle spielen aber auch nicht-textliche Formen der memoria, insbesondere in
der materiellen Überlieferung, sowie bei gemeinschaftlichen Gedenkveranstaltungen
wie z.B. Prozessionen.11
Eine weitere Frage betrifft die Zielrichtung der memoria·. Geht es um die zukunfts-
gerichtete, intentionale Etablierung von Erinnerung für die Nachwelt oder um das
Aufgreifen bzw. die Konstruktion von faktisch bzw. theoretisch Vergangenem? Beides
hängt natürlich zusammen, was sich auch in den Beiträgen des Bandes widerspiegelt,
die sowohl Versuche der aktiven Etablierung von Interpretationen als auch die langen
Wege der Herausbildung von Vergangenheit(en) über die Zeiten hinweg, in unter-
schiedlichen Medien oder durch unterschiedliche Gruppierungen behandeln.12
Schließlich liegen auch die Gegenstände der Erinnerung auf unterschiedlichen
Ebenen: Sie können sich auf,mythische4 oder ,historische4 Ereignisse beziehen (die
Grenzen verlaufen fließend), auf Personen und Personengruppen, aber auch auf abs-
traktere Entitäten wie z.B. Lieder oder Jahrestage und deren historische Konnotatio-
nen. Die Bezüge der memoria sind dabei mehrbödig: Eine Statue etwa dient in einer
„memoria ,erster Ordnung444 zunächst einmal als Erinnerungsträger für das spezifische
Ereignis, aus dessen Anlass sie aufgestellt worden war. Sie kann aber auch eine „me-
moria ,zweiter Ordnung4“ entstehen lassen, die alleine durch die Präsenz im Stadtbild
und die Interaktion mit anderen Monumenten hervorgerufen wird und die ihrerseits
die erste Form der memoria durch symbolische Überhöhung bestärkt.13 Themenbe-
reiche, die im Zusammenhang mit Malalas von besonderem Interesse sind, betreffen
vorzugsweise die Kaiser-, Kirchen- und Stadtgeschichte, aber auch bestimmte Perso-
nenkreise, seien es die Kaiser der Gegenwart und Vergangenheit, die weltlichen und
kirchlichen Eliten, christliche Märtyrer oder die Autoren des klassischen Bildungs-
kanons.14
9 Vgl. dazu neben den Beiträgen zu Malalas selbst v.a. diejenigen zur zeitgenössischen lateinischen
Chronistik (Carlo Scardino) sowie zum byzantinischen Chronicon Paschale (Christian Gastgeber, Erika
Juhäsz).
io Siehe die Beiträge von Raf Praet (Malalas, Cassiodor und Johannes Lydos), Hanns Christof Brennecke
(Vita Danielis} und Olivier Gengler (justinianische Gesetzgebung).
ii Siehe die Beiträge von Sebastian Watta (Mosaiken) und Philipp Niewöhner (öffentliche Monumente
in Milet) sowie von Karl-Joachim Hölkeskamp (Monumente und „performative Medien“ in Rom).
i2 Zur zukunftsgerichteten Etablierung von (personen- oder gruppenbezogenen) Bildern siehe insbeson-
dere die Beiträge von Karl-Joachim Hölkeskamp und Sebastian Watta; zu unterschiedlichen Ausfor-
mungen einzelner Ereignisse bzw. Ereigniskomplexe vgl. etwa die Beiträge von Laura Mecella (rö-
misch-parthische Kriege) und Volker Menze (Konzil von Chalkedon).
13 Vgl. Hölkeskamp (2012), S. 397-402, insbes. 399-400,401-402.
14 Zur Kaisergeschichte bzw. deren Personen siehe die Beiträge von Jonas Borsch, Laura Mecella, Hanns
Christof Brennecke und Olivier Gengler, zur Kirche insbes. den Beitrag von Volker Menze, zur Stadt-
geschichte Emanuèle Caire und Philipp Niewöhner, zu den Eliten ders. und Sebastian Watta, zu den
Märtyrern Erika Juhäsz, zu den Autoren Christian Gastgeber.