Einleitung. Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur
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3. Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur: das Vorhaben
In der oben beschriebenen Perspektive gruppieren sich die Beiträge des vorliegenden
Bandes um sechs Themengruppen. Im ersten Abschnitt („Geschichtsschreibung als
memoria''') bietet Karl-Joachim Hölkeskamp („Mythen, Monumente und Memorial-
kultur: die ,Corporate Identity4 der gens Fabia") als Einführung in die Gesamtprob-
lematik des Bandes die exemplarische Analyse eines klassischen Fallbeispieles - die
Selbstdarstellungsstrategie der gens Fabia -, in der er das Zusammenspiel des materi-
ellen und immateriellen Gedächtnisses mit der entstehenden römischen Geschichts-
schreibung erforscht. In Anlehnung an die mythische Vergangenheit Roms und an die
Figur des Herakles inszenierte Ch Fabius Maximus Cunctator im ausgehenden 3. Jh.
v. Chr. seinen Erfolg und jenen seiner gens. Gleichzeitig erweiterte das historiographi-
sche Werk des Ch Fabius Pictor die multimediale Darstellung der gentilizischen me-
moria·, der Geschichtsschreiber „steigerte durch seine Art und Weise der memorialen
Verwaltung des symbolischen Kapitals der gens deren Ruhm weit über den Tag hinaus“.
Von hier ausgehend blickt der zweite Abschnitt des Bandes {„memoria und Kai-
sertum“) auf eine Personengruppe, und zwar auf eine im Kontext der Weltchronik
zweifelsohne besonders wichtige: Im Fokus steht die Gestaltung und Verbreitung
des Gedächtnisses der römischen Kaiser. In seinem Beitrag zu den Personenbeschrei-
bungen des Malalas betrachtet Jonas Borsch („Schriftliche Bildnisse. Personalisierte
Erinnerung in Malalas’ Porträts“) dabei den breiteren Zusammenhang: Die Kaiser
bilden neben den mythischen Heroen und den Aposteln Petrus und Paulus nur eine
von insgesamt drei Gruppen von Personen, die mit eigenen,Porträts4 versehen werden.
In ihrer einfachen Gestaltung fallen diese Darstellungen bemerkenswert ähnlich aus,
was die Forschung zum Teil an eine Abschrift aus einer Einzelquelle, z.T an freie
Erfindung durch Malalas selbst hat denken lassen. Eine nähere Betrachtung älterer
wie zeitgenössischer Parallelen offenbart jedoch ein breites Spektrum an Einflüssen;
Malalas hat nicht einfach Quellen abgeschrieben, sondern greift eine auf Aussehen
und Charakter bezogene memoria auf, die teils an Individuen, teils an Personengrup-
pen geknüpft ist. Seine Darstellung betont dabei in positiver Weise die Kontinuität
von der mythischen zur christlich-römischen Erfahrungswelt.
Ebenfalls mit einem vertieften Blick auf die Quellenforschung untersucht Laura
Mecella („Antiochia und die historische Erinnerung an die Römisch-Parthischen
Kriege“) die lokale Kaisermemoria bei Malalas in ihrer ganzen Plastizität. In seinem
Bericht über den parthischen Feldzug Trajans erzählt Malalas von einer Besetzung
von Antiochia, die sonst nirgendwo erwähnt wird. Manche Elemente der Ereignisse
erscheinen fiktiv - ganz unabhängig davon, ob ihre Gestaltung auf Malalas oder seine
Quellen zurückzuführen ist. Die Erzählung scheint die Erinnerung an verschiedene
vergangene Ereignisse zusammenzuführen, mit der Absicht, Kaiser Trajan vorteilhaft
in Szene zu setzen - wohl wegen der Verbindung seiner Person mit der Größe von
Antiochia, einer Stadt, die er mehrmals geehrt hatte.
Hanns Christof Brennecke („Hagiographie als Kaisermemorie - Kaiser Zenon in
der Vita Danielis“) betrachtet die mannigfaltige memoria des Kaisers Zenon in der
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3. Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur: das Vorhaben
In der oben beschriebenen Perspektive gruppieren sich die Beiträge des vorliegenden
Bandes um sechs Themengruppen. Im ersten Abschnitt („Geschichtsschreibung als
memoria''') bietet Karl-Joachim Hölkeskamp („Mythen, Monumente und Memorial-
kultur: die ,Corporate Identity4 der gens Fabia") als Einführung in die Gesamtprob-
lematik des Bandes die exemplarische Analyse eines klassischen Fallbeispieles - die
Selbstdarstellungsstrategie der gens Fabia -, in der er das Zusammenspiel des materi-
ellen und immateriellen Gedächtnisses mit der entstehenden römischen Geschichts-
schreibung erforscht. In Anlehnung an die mythische Vergangenheit Roms und an die
Figur des Herakles inszenierte Ch Fabius Maximus Cunctator im ausgehenden 3. Jh.
v. Chr. seinen Erfolg und jenen seiner gens. Gleichzeitig erweiterte das historiographi-
sche Werk des Ch Fabius Pictor die multimediale Darstellung der gentilizischen me-
moria·, der Geschichtsschreiber „steigerte durch seine Art und Weise der memorialen
Verwaltung des symbolischen Kapitals der gens deren Ruhm weit über den Tag hinaus“.
Von hier ausgehend blickt der zweite Abschnitt des Bandes {„memoria und Kai-
sertum“) auf eine Personengruppe, und zwar auf eine im Kontext der Weltchronik
zweifelsohne besonders wichtige: Im Fokus steht die Gestaltung und Verbreitung
des Gedächtnisses der römischen Kaiser. In seinem Beitrag zu den Personenbeschrei-
bungen des Malalas betrachtet Jonas Borsch („Schriftliche Bildnisse. Personalisierte
Erinnerung in Malalas’ Porträts“) dabei den breiteren Zusammenhang: Die Kaiser
bilden neben den mythischen Heroen und den Aposteln Petrus und Paulus nur eine
von insgesamt drei Gruppen von Personen, die mit eigenen,Porträts4 versehen werden.
In ihrer einfachen Gestaltung fallen diese Darstellungen bemerkenswert ähnlich aus,
was die Forschung zum Teil an eine Abschrift aus einer Einzelquelle, z.T an freie
Erfindung durch Malalas selbst hat denken lassen. Eine nähere Betrachtung älterer
wie zeitgenössischer Parallelen offenbart jedoch ein breites Spektrum an Einflüssen;
Malalas hat nicht einfach Quellen abgeschrieben, sondern greift eine auf Aussehen
und Charakter bezogene memoria auf, die teils an Individuen, teils an Personengrup-
pen geknüpft ist. Seine Darstellung betont dabei in positiver Weise die Kontinuität
von der mythischen zur christlich-römischen Erfahrungswelt.
Ebenfalls mit einem vertieften Blick auf die Quellenforschung untersucht Laura
Mecella („Antiochia und die historische Erinnerung an die Römisch-Parthischen
Kriege“) die lokale Kaisermemoria bei Malalas in ihrer ganzen Plastizität. In seinem
Bericht über den parthischen Feldzug Trajans erzählt Malalas von einer Besetzung
von Antiochia, die sonst nirgendwo erwähnt wird. Manche Elemente der Ereignisse
erscheinen fiktiv - ganz unabhängig davon, ob ihre Gestaltung auf Malalas oder seine
Quellen zurückzuführen ist. Die Erzählung scheint die Erinnerung an verschiedene
vergangene Ereignisse zusammenzuführen, mit der Absicht, Kaiser Trajan vorteilhaft
in Szene zu setzen - wohl wegen der Verbindung seiner Person mit der Größe von
Antiochia, einer Stadt, die er mehrmals geehrt hatte.
Hanns Christof Brennecke („Hagiographie als Kaisermemorie - Kaiser Zenon in
der Vita Danielis“) betrachtet die mannigfaltige memoria des Kaisers Zenon in der