Einleitung. Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur
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In seinem Beitrag „Byzantine Preservation of Ancient Monuments at Miletus in
Caria. Christian Antiquarianism in Western Asia Minor“ versucht Philipp Niewöh-
ner den außergewöhnlichen Erhaltungszustand des antiken Milet während der frühen
byzantinischen Periode zu verstehen. Diese muss offensichtlich durch einen bewussten
Wunsch der christlichen Gesellschaft, das heidnische Patrimonium zu verewigen, erklärt
und dementsprechend als eine Form des byzantinischen Antiquarianismus interpretiert
werden. Der Vergleich mit ähnlich gut erhaltenen antiken Stadtlandschaften in Aphro-
disias und Ephesos deutet daraufhin, dass der Antiquarianismus von den antiken Denk-
mälern selbst inspiriert wurde. Dies bietet auch eine Erklärung dafür, warum das west-
liche Kleinasien keinen eigenen byzantinischen architektonischen Stil entwickelt hat.
Die Beiträge des fünften Abschnitts „memoria unter Justinian“ betrachten das sich
wandelnde justinianische Reich, das seine ferne Vergangenheit hinterfragt, um sich
neu zu definieren. Raf Praet („Malalas and erudite memory in sixth-century Cons-
tantinople“) wendet sich drei Figuren der justinianischen Zeit zu: Malalas, Cassiodor
und Johannes Lydos, die neben ähnlichen intellektuellen und sozialen Profilen auch
parallele Interessen für die ferne griechisch-römische Vergangenheit aufweisen. Aus-
gehend von der Analyse eines Fallbeispieles - das des Purpur als römischem Macht-
Symbol - äußert Praet die These, dass die drei Autoren zum gleichen intellektuellen
Kreis gehörten. Olivier Gengier {„Memoria und Gesetzgebung: Vergangenheit und
Gegenwart in den justinianischen Novellen“) untersucht seinerseits die Gestaltung
einer römischen memoria in einer Gruppe von 13 Novellen Justinians. Er versucht zu
zeigen, dass Justinian in einem eng abgegrenzten Zeitraum (534-537) - im Anschluss
an die (Rück)Eroberung Afrikas - ein Bild seines Reiches förderte, das die Kontinui-
tät der antiken römischen Macht betont.
Der letzte Abschnitt ist der Frage der Chronik als Memorialgattung gewidmet. In
seinem Beitrag „Historische und theologische Diskurse in den lateinischen Chroniken
des 5. und 6. Jh. n.Chr. “ zeigt Carlo Scardino anhand eines Vergleiches von Themen
und Tropen, dass ungeachtet der Tatsache, dass die Konventionen der Gattung und
die Zugehörigkeit ähnlicher intellektueller und sozialer Kreise das Innovationspoten-
zial der Chronisten einschränken, die Wahl des Materials und die rhetorische An-
ordnung der einzelnen Einträge dennoch eine Individualisierung der Werke erlaubt.
Der Artikel von Christian Gastgeber, „Klassisch-paganes Erbe: Was bleibt in der
memoria der Weltchronik? Memorialkultur des Chronicon Paschale“, untersucht die
memoria der heidnischen Geschichte und Kultur in der Osterchronik. Da der Autor
der Osterchronik hauptsächlich an der Genauigkeit der Chronologie interessiert ist
und sein Werk mit wörtlichen Zitaten aus seinen Quellen zusammenstellt, wird seine
Vergangenheitskonzeption am ehesten in der Auswahl relevanter Passagen sichtbar.
Die schwindende Autorschaft eines kompilatorischen open-text schränkt jedoch die
Interpretation dieser Auswahl ein. Zumindest lässt sich herausstellen, dass die christ-
liche Perspektive des Werkes der memoria der klassischen Antike im 7. Jahrhundert
nur noch wenig Raum lässt.
Die Arbeit von Erika Juhasz („Spuren der christlichen Erinnerungskultur in der
OsterchroniK^ ergänzt die Untersuchung desselben Textes um die spezifisch christ-
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In seinem Beitrag „Byzantine Preservation of Ancient Monuments at Miletus in
Caria. Christian Antiquarianism in Western Asia Minor“ versucht Philipp Niewöh-
ner den außergewöhnlichen Erhaltungszustand des antiken Milet während der frühen
byzantinischen Periode zu verstehen. Diese muss offensichtlich durch einen bewussten
Wunsch der christlichen Gesellschaft, das heidnische Patrimonium zu verewigen, erklärt
und dementsprechend als eine Form des byzantinischen Antiquarianismus interpretiert
werden. Der Vergleich mit ähnlich gut erhaltenen antiken Stadtlandschaften in Aphro-
disias und Ephesos deutet daraufhin, dass der Antiquarianismus von den antiken Denk-
mälern selbst inspiriert wurde. Dies bietet auch eine Erklärung dafür, warum das west-
liche Kleinasien keinen eigenen byzantinischen architektonischen Stil entwickelt hat.
Die Beiträge des fünften Abschnitts „memoria unter Justinian“ betrachten das sich
wandelnde justinianische Reich, das seine ferne Vergangenheit hinterfragt, um sich
neu zu definieren. Raf Praet („Malalas and erudite memory in sixth-century Cons-
tantinople“) wendet sich drei Figuren der justinianischen Zeit zu: Malalas, Cassiodor
und Johannes Lydos, die neben ähnlichen intellektuellen und sozialen Profilen auch
parallele Interessen für die ferne griechisch-römische Vergangenheit aufweisen. Aus-
gehend von der Analyse eines Fallbeispieles - das des Purpur als römischem Macht-
Symbol - äußert Praet die These, dass die drei Autoren zum gleichen intellektuellen
Kreis gehörten. Olivier Gengier {„Memoria und Gesetzgebung: Vergangenheit und
Gegenwart in den justinianischen Novellen“) untersucht seinerseits die Gestaltung
einer römischen memoria in einer Gruppe von 13 Novellen Justinians. Er versucht zu
zeigen, dass Justinian in einem eng abgegrenzten Zeitraum (534-537) - im Anschluss
an die (Rück)Eroberung Afrikas - ein Bild seines Reiches förderte, das die Kontinui-
tät der antiken römischen Macht betont.
Der letzte Abschnitt ist der Frage der Chronik als Memorialgattung gewidmet. In
seinem Beitrag „Historische und theologische Diskurse in den lateinischen Chroniken
des 5. und 6. Jh. n.Chr. “ zeigt Carlo Scardino anhand eines Vergleiches von Themen
und Tropen, dass ungeachtet der Tatsache, dass die Konventionen der Gattung und
die Zugehörigkeit ähnlicher intellektueller und sozialer Kreise das Innovationspoten-
zial der Chronisten einschränken, die Wahl des Materials und die rhetorische An-
ordnung der einzelnen Einträge dennoch eine Individualisierung der Werke erlaubt.
Der Artikel von Christian Gastgeber, „Klassisch-paganes Erbe: Was bleibt in der
memoria der Weltchronik? Memorialkultur des Chronicon Paschale“, untersucht die
memoria der heidnischen Geschichte und Kultur in der Osterchronik. Da der Autor
der Osterchronik hauptsächlich an der Genauigkeit der Chronologie interessiert ist
und sein Werk mit wörtlichen Zitaten aus seinen Quellen zusammenstellt, wird seine
Vergangenheitskonzeption am ehesten in der Auswahl relevanter Passagen sichtbar.
Die schwindende Autorschaft eines kompilatorischen open-text schränkt jedoch die
Interpretation dieser Auswahl ein. Zumindest lässt sich herausstellen, dass die christ-
liche Perspektive des Werkes der memoria der klassischen Antike im 7. Jahrhundert
nur noch wenig Raum lässt.
Die Arbeit von Erika Juhasz („Spuren der christlichen Erinnerungskultur in der
OsterchroniK^ ergänzt die Untersuchung desselben Textes um die spezifisch christ-