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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
II. Memoria und Kaisertum
DOI Kapitel:
Borsch, Jonas: Schriftliche Bildnisse: Personalisierte Erinnerung in Malalas' Portäts
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0053
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Jonas Borsch

2. Malalas’ Bildnisse und die Überlieferungsproblematik
Von den knapp 100 Beschreibungen von Einzelpersonen bei Malalas beziehen sich
ca. 60 auf römische Kaiser und 30 auf Heldengestalten (insbesondere des trojanischen
Krieges). Zwei weitere Porträts, die der beiden Apostel Peter und Paul, bilden eine
eigene kleine Gruppe.5 Damit werden allerdings bei weitem nicht alle in der Chrono-
graphia erwähnten Personen mit einer eigenen physischen Skizze versehen. So feh-
len, mit Ausnahme von fünf troischen Heroinnen sowie der Kleopatra, entsprechende
Skizzen für die meisten Frauengestalten, wobei insbesondere das Fehlen bzw. die nur
sehr kursorische Beschreibung von sonst prominent in Szene gesetzten Kaiserinnen
wie Eudokia oder Theodora auffällig ist.6 Auch in der Reihe der männlichen Kaiser
ergeben sich einige Lücken (dazu s.u.). Formal handelt es sich bei den Beschreibun-
gen im Allgemeinen um einfache Aufzählungen von Adjektiven nach dem Muster
der oben zitierten Darstellung des Justinian. In der Länge können sich diese Ausfüh-
rungen stark unterscheiden; manche Personen werden mit einem Dutzend oder mehr
Attributen belegt, für andere findet sich nur eines. Das in den Passagen verwendete
Vokabular ist, wie die Untersuchung durch Elizabeth und Michael Jeffreys gezeigt
hat, ungeachtet der breiten Streuung entsprechender Stellen im Werk, insgesamt ein-
heitlich? Es ist dabei durchaus variantenreich und enthält eine Vielzahl von seltenen
oder sogar nur einmal belegten Begriffen.8 Das ist schon insofern bemerkenswert, als
dass die Kontexte, in denen die Porträts auftreten - insbesondere der trojanische Krieg
und die Kaisergeschichte - ganz verschieden sind.
Inhaltlich umfassen die Beschreibungen nicht immer nur physische Merkmale,
sondern zuweilen auch charakterliche oder moralische Eigenschaften. Diese werden
üblicherweise als letzte Attribute genannt. So heißt es etwa für Caligula, dass er πε-
ρίγοργος, οργίλος, μεγαλόψυχος gewesen sei, was Thurn und Meier mit „sehr
energisch, zum Zorne neigend und hochgemut“ übersetzen.9 Hier sind auch zahlrei-
che, teils ungewöhnliche Varianten möglich, die, wie beispielsweise der Hinweis auf
ein Talent fürs Jagen, Sprechen oder auch Springen, nicht immer klar dem physischen
oder moralischen Bereich zuzuweisen sind. Die Aufzählung dieser unterschiedlichen
Attribute in zusammenhängenden Reihen suggeriert eine Verbindung zwischen den
physischen und den charakterlich-moralischen Eigenschaften.

5 Für einen Überblick zur Thematik siehe Jeffreys/Jeffreys (1990). Vgl. außerdem im Rahmen der „Quel-
lenforschung“ bereits Fürst (1902); Schissel von Fleschenberg (1908). Zu Malalas’ Kaiserporträts in
jüngerer Zeit Carrié (2006); zu den Heroenporträts Grossardt (2006); Goldwyn (2015), S. 30-33;
Goldwyn (2016), S. 12-18. Die hiesige Gruppeneinteilung orientiert sich an Jeffreys/Jeffreys (1990),
S. 231; 242-243; Carrié (2006), S. 198-199.

6 Vgl. Carrié (2006), S. 199, dem allerdings die Kurzcharakterisierung von Eudokia in Chronographia
XIV 4 entgangen zu sein scheint: „sie war schön, intelligent, eine Hellenin“ (ευπρεπή, έΛΛόγιμον,
ΈΛΛαδικήν).

7 Jeffreys/Jeffreys (1990), hier: S. 232.

8 Carrié (2006), S. 204; vgl. die Liste der Attribute in Jeffreys/Jeffreys (1990), S. 232-240.

9 Malalas, Chronographia X 17 (Übers. Thurn/Meier 2009, S. 252).
 
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