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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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II. Memoria und Kaisertum
DOI Kapitel:
Borsch, Jonas: Schriftliche Bildnisse: Personalisierte Erinnerung in Malalas' Portäts
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0054
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Schriftliche Bildnisse. Personalisierte Erinnerung in Malalas’ Porträts

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Ein besonderes Problem zeigt sich beim Blick auf die Liste der Kaiserporträts. De-
ren Darstellungen stehen, soweit vorhanden, systematisch am Beginn der Regierungs-
zeit eines jeweiligen Herrschers. Bei Personen wie Augustus oder Justinian, die bereits
vor der Übernahme der Alleinherrschaft in Erscheinung treten, werden die Beschrei-
bungen auf den Punkt der alleinigen Herrschaftsübernahme gesetzt. Grundsätzlich
bilden die physischen bzw. charakterlichen Eigenschaften nur einen Teil einer Reihe
von möglichen persönlichen Informationen. Enthalten sein können etwa die Titu-
latur, die Umstände der Ernennung oder das Datum des Herrschaftsantrittes. Auch
andere Informationen wie die Herkunft, die bisherige Stellung oder die präferierte
Zirkuspartei werden zuweilen erwähnt. Immer miteinbezogen wird die Herrschafts-
dauer des Kaisers.10 Das Aussehen wird in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle zur
Darstellung gebracht - aber, wie bereits erwähnt, nicht grundsätzlich. Lücken treten
insbesondere in den Büchern XIII und XIV auf, wo die Porträts einiger Kaiser wie
z.B. Konstantin II. oder Constans ganz fehlen und andere nur sehr kurz erwähnt
werden. Jeffreys und Jeffreys haben hier vorsichtig die Vermutung geäußert, dass ein
Quellenwechsel vorliegt.11 Hier könnte aber auch das im Falle des Malalas besonders
brennende Problem der Textüberlieferung eine Rolle spielen.12 Das führt etwa die Be-
schreibung des Zenon in Buch XV vor Augen: Im codex unicus der Chronographia, dem
Codex Baroccianus, fehlt für Zenon wie auch für den kurz darauf erwähnten Usurpator
Basiliskos jedes beschreibende Attribut. In der slavischen Parallelüberlieferung hin-
gegen findet sich jeweils ein einzelnes, bemerkenswerterweise für beide übereinstim-
mendes, allerdings auch nichtssagendes Beschreibungsmerkmal, nämlich der Hinweis
„er war mittlerer Größe“.13 Es ist nicht völlig auszuschließen, dass es sich dabei um
spätere Ergänzungen handelt; wahrscheinlicher ist aber, dass die Angaben, wie auch
Thurn in seiner Edition annimmt, dem Ursprungstext entstammen.14 Das legt ein
grundlegendes Problem offen, das sich bei den stark standardisiert erscheinenden Por-
träts vielleicht noch deutlicher auswirkt als anderswo in der Chronographia, nämlich
die Frage nach der Rekonstruktion des Textes: Der Codex Baroccianus enthält eine so
stark gekürzte Version der Chronographia, dass die Bewertung einzelner Passagen gar
nicht immer sicher möglich ist. Die Reihe der überlieferten Kaiserporträts jedenfalls
ist wahrscheinlich nicht vollständig.15 Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass
uns darüber hinaus zuweilen nur unvollständige, eventuell sogar modifizierte Versio-
nen der Porträts überliefert sind.

io Vgl. die Tabelle in Jeffreys (1990a), S. 139-141.

ii Jeffreys/Jeffreys (1990), S. 241; vgl. zu dieser „Lücke“ auch Carrié (2006), S. 200.

12 Der komplexen Thematik ist im immer noch grundlegenden australischen Sammelband zu Malalas ein
ausführlicher Abschnitt gewidmet: Jeffreys/Croke/Scott (1990), S. 245-311. Einen zentralen Platz
nimmt sie auch im ersten Band der neuen Tübinger Malalas-Reihe ein: Meier/Radtki/Schulz (2016).

13 Malalas, Chronographia XV 1; 3. Rekonstruierter Wortlaut nach Thurn (2000), S. 301-302: ήν δέ
hcpocpcalaç.

14 Vgl. Thurn (2000), S. 301-302, der hier entsprechend dem in der Edition auch durchgehend zur An-
wendung kommenden Vorgehen eine rückübersetzte griechische Version ergänzt.

15 So die gut begründete Vermutung bei Patzig (1904), S. 178.
 
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