Schriftliche Bildnisse. Personalisierte Erinnerung in Malalas’ Porträts
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Vergleich an.113 Die wohl größte Ähnlichkeit auf formaler Ebene weist dabei die Be-
schreibung des Anastasios im Orakel von Baalbek auf, die noch während der Regie-
rungszeit dieses Kaisers entstanden ist:
έστίδέ φαλακρός, ευπρεπής, ώς άργυρος τό μέτωπον αύτού, τήν δεξιάν
χεΐραν έχων μακράν, γενναίος, φοβερός, μεγαλόψυχος καί ελεύθερος,
μισών πάντας τούς πτωχούς.
Er [Anastasios] ist kahlköpfig, ansehnlich, seine Stirn wirkt wie Silber, er hat einen
langen rechten Arm, ist furchteinflößend, hochherzig und freimütig, er hasst alle
Bettler.114
Die Ähnlichkeiten mit Malalas betreffen dabei abermals vor allen Dingen das Anein-
anderreihen von Adjektiven, die Reduktion der Beschreibung auf einzelne Körperteile
sowie die Hinwendung zu charakterlich-moralischen Eigenschaften zum Ende der
Darstellung. Auch im Vokabular bestehen Parallelen: Die meisten hier verwendeten
Adjektive finden sich innerhalb der Chronographia in gleich mehreren Porträts wie-
der.115 Abseits der Darstellungsform erscheint es gerade hier von besonderem Inte-
resse, nach Parallelen auf der Ebene der körperlichen Merkmale zu fragen - es ist
schließlich naheliegend, dass über das Aussehen eines lebenden oder erst vor kurzem
verstorbenen Herrschers bessere oder doch zumindest einheitlichere Informationen
kursierten (z.B. in Form von Bildern) als über die Physis von Kaisern, deren Regie-
rungszeit Jahrhunderte zurücklag. Im Falle des Anastasios lässt sich das nur bedingt
bestätigen. Dessen Beschreibung bei Malalas weist inhaltlich mit derjenigen im Ora-
kel von Baalbek keine direkten Parallelen auf, wenn sie sich auch in einigen Punkten
mit ihr übereinbringen lässt:
ήν δε μάκρος πάνυ, κονδόθρίξ, εύστολος, στρογγυλόψίς, μίξοπόλίος
τήν κάραν καί τό γένειον, εν τω δεξίώ όφθαλμω έχων τήν κόρην
γλαυκήν καί εν τω άριστερω μέλαιναν, τελείους έχων οφθαλμούς, τό
δέ γένειον αύτού πυκνώς έκείρετο.
Er war nun über die Maßen groß, trug kurzes Haar, war gut gebaut, hatte ein
rundes Gesicht, graumeliertes Haupt und Barthaar; im rechten Auge hatte er eine
graue Pupille, im linken eine schwarze, er verfügte über ausgezeichnete Sehkraft,
sein Kinn aber ließ er häufig scheren.”6
Das Orakel nennt nur vier physische Merkmale, von denen das erste, nämlich der
Verweis auf die Kahlköpfigkeit, mit Malalas’ Angabe („kurzhaarig“) am schlechtesten
113 Nicht zum Vergleich herangezogen werden hier die bei Head (1980), S. 227-230 und Baldwin (1981),
S. 12-18 zusammengestellten Beschreibungen frühbyzantinischer Kaiser bei späteren Autoren wie Leo
Grammatikos oder Kedrenos, da ihre Abhängigkeit von Malalas selbst oder einer gemeinsamen Quelle
nicht auszuschließen ist.
114 Oracle ofBaalbek ϊ. i66-i68 (S. 19 Alexander; Übers. Meier 2009, S. 59).
115 Dabei handelt es sich um die Adjektive φαλακρός (2x bei Malalas), ευπρεπής (2x), γενναίος (5x),
μεγαλόψυχος (2ox); dagegen kommen φοβερός und ελεύθερος nicht vor. Vgl. die Aufstellung des
in Malalas’Porträts verwendeten Vokabulars bei Jeffreys/Jeffreys (1990), S. 232-240.
116 Malalas, Chronographia XVI1 (Übers. Thurn/Meier 2009, S. 406).
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Vergleich an.113 Die wohl größte Ähnlichkeit auf formaler Ebene weist dabei die Be-
schreibung des Anastasios im Orakel von Baalbek auf, die noch während der Regie-
rungszeit dieses Kaisers entstanden ist:
έστίδέ φαλακρός, ευπρεπής, ώς άργυρος τό μέτωπον αύτού, τήν δεξιάν
χεΐραν έχων μακράν, γενναίος, φοβερός, μεγαλόψυχος καί ελεύθερος,
μισών πάντας τούς πτωχούς.
Er [Anastasios] ist kahlköpfig, ansehnlich, seine Stirn wirkt wie Silber, er hat einen
langen rechten Arm, ist furchteinflößend, hochherzig und freimütig, er hasst alle
Bettler.114
Die Ähnlichkeiten mit Malalas betreffen dabei abermals vor allen Dingen das Anein-
anderreihen von Adjektiven, die Reduktion der Beschreibung auf einzelne Körperteile
sowie die Hinwendung zu charakterlich-moralischen Eigenschaften zum Ende der
Darstellung. Auch im Vokabular bestehen Parallelen: Die meisten hier verwendeten
Adjektive finden sich innerhalb der Chronographia in gleich mehreren Porträts wie-
der.115 Abseits der Darstellungsform erscheint es gerade hier von besonderem Inte-
resse, nach Parallelen auf der Ebene der körperlichen Merkmale zu fragen - es ist
schließlich naheliegend, dass über das Aussehen eines lebenden oder erst vor kurzem
verstorbenen Herrschers bessere oder doch zumindest einheitlichere Informationen
kursierten (z.B. in Form von Bildern) als über die Physis von Kaisern, deren Regie-
rungszeit Jahrhunderte zurücklag. Im Falle des Anastasios lässt sich das nur bedingt
bestätigen. Dessen Beschreibung bei Malalas weist inhaltlich mit derjenigen im Ora-
kel von Baalbek keine direkten Parallelen auf, wenn sie sich auch in einigen Punkten
mit ihr übereinbringen lässt:
ήν δε μάκρος πάνυ, κονδόθρίξ, εύστολος, στρογγυλόψίς, μίξοπόλίος
τήν κάραν καί τό γένειον, εν τω δεξίώ όφθαλμω έχων τήν κόρην
γλαυκήν καί εν τω άριστερω μέλαιναν, τελείους έχων οφθαλμούς, τό
δέ γένειον αύτού πυκνώς έκείρετο.
Er war nun über die Maßen groß, trug kurzes Haar, war gut gebaut, hatte ein
rundes Gesicht, graumeliertes Haupt und Barthaar; im rechten Auge hatte er eine
graue Pupille, im linken eine schwarze, er verfügte über ausgezeichnete Sehkraft,
sein Kinn aber ließ er häufig scheren.”6
Das Orakel nennt nur vier physische Merkmale, von denen das erste, nämlich der
Verweis auf die Kahlköpfigkeit, mit Malalas’ Angabe („kurzhaarig“) am schlechtesten
113 Nicht zum Vergleich herangezogen werden hier die bei Head (1980), S. 227-230 und Baldwin (1981),
S. 12-18 zusammengestellten Beschreibungen frühbyzantinischer Kaiser bei späteren Autoren wie Leo
Grammatikos oder Kedrenos, da ihre Abhängigkeit von Malalas selbst oder einer gemeinsamen Quelle
nicht auszuschließen ist.
114 Oracle ofBaalbek ϊ. i66-i68 (S. 19 Alexander; Übers. Meier 2009, S. 59).
115 Dabei handelt es sich um die Adjektive φαλακρός (2x bei Malalas), ευπρεπής (2x), γενναίος (5x),
μεγαλόψυχος (2ox); dagegen kommen φοβερός und ελεύθερος nicht vor. Vgl. die Aufstellung des
in Malalas’Porträts verwendeten Vokabulars bei Jeffreys/Jeffreys (1990), S. 232-240.
116 Malalas, Chronographia XVI1 (Übers. Thurn/Meier 2009, S. 406).