Antiochia und die historische Erinnerung an die Römisch-Parthischen Kriege
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kiert: Der ausgedehnte Aufenthalt des Kaisers in der Stadt (im Winter 114, im Winter
115-116 und dann 117) machte sie nicht nur in jener Zeit zum Mittelpunkt des Reiches
(wie ein berühmter Abschnitt bei Cassius Dio über das Erdbeben bestätigt), sondern
er war der Beginn einer Reihe von adventus, die die östliche Metropole mit der Zeit in
einen Kaisersitz verwandelte.55 Nach Augustus war Trajan der erste römische Kaiser,
der die Stadt besuchte: Die Bedeutung dieses Ereignisses muss auf die Lokalhisto-
riographie zurückgestrahlt haben. Es ist kein Zufall, dass Malalas diesbezüglich auf
Δομνΐνος verweist. Wie auch immer man diesen Namen verstehen will, gilt sein
Träger doch als Bewahrer des historischen Gedächtnisses von Antiochia.56 Darüber
hinaus darf man nicht vergessen, dass Antiochia bereits im Zentrum der politisch-
militärischen Aktivität des Kaiservaters stand. Es ist jener Marcus Ulpius Traianus,
legatusNon Syrien, der zwischen 73/74 und 76/77 n.Chr. die Stadt zu einer logistischen
Basis und einem Brennpunkt der römischen politischen Obrigkeit im Osten gemacht
hat; der zukünftige Kaiser, der zur damaligen Zeit als tribunus militum in Syrien tätig
war, hatte demnach bereits in jungen Jahren eine enge Bindung zu Antiochia auf-
bauen können.57
In einem Teil der Lokalhistoriographie konnte sich also eine Erzählung heraus-
bilden, die die Größe von Antiochia in Verbindung mit Kaiser Trajan, der die Stadt
so geehrt hatte, zu lobpreisen bezweckte; in diesem Sinne hat die Erzählung von ei-
ner feindlichen Besatzung, die dank der Synergie zwischen kaiserlichem Willen und
Tugend der Antiochener vereitelt werden konnte, große Bedeutung. Ein Massaker
unter den Parthern/Persern zu Ehren des βασιΛεύς, der schlechthin der Parthicus ist:
Wenn diese Geschichte nicht wahr ist, so ist sie doch gut erfunden.58 Verschiedene
Elemente des Textes verstärken gemeinsam die triumphale Dimension des Ereignis-
55 Cassius Dio, Historiae Romanae LXVIII 24,1-2: διατρίβοντος δε αύτού έν Αντιόχεια σεισμός
εξαίσιος γίνεται· καί πολλαί μεν έκαμον πόλεις, μάλιστα δε ή Αντιόχεια έδυστύχησεν.
άτε γάρ τού Τραϊανού έκεϊ χειμάζοντας, καί πολλών μεν στρατιωτών πολλών δε ιδιωτών
κατά τε δίκας καί κατά πρεσβείας εμπορίαν τε καί θεωρίαν πανταχόθεν συμπεφοιτηκό-
των, ούτε έθνος ούδέν ούτε δήμος ούδείς άβλαβης έγένετο, καί ούτως έν τή Αντιόχεια
πάσα ή οικουμένη ή ύπό τοϊς Ρωμαίοις ούσα έσφάλη. Zur Bedeutung von Antiochia in dieser
Zeit siehe auch die Bemerkungen von Millar (1993), S. 104-105; allgemeiner zu den Beziehungen zwi-
schen der Stadt und der Zentralmacht in den ersten drei Jahrhunderten unserer Ära siehe Bérenger-
Badel (2004).
56 Zur Bedeutung des Werkes von Domninos in der Chronographia von Malalas siehe Mecella (2017),
S. 73-78, 87-88. Der Αρειανός, der hier zusammen mit ihm genannt wird, ist wahrscheinlich eine
Verfälschung des Namens von Arrian, den Malalas wahrscheinlich nur durch seine Quelle kannte:
siehe dazu A. von Gutschmid, apud Dierauer (1868), S. 155-156,176-177; Schenk Graf von Stauffenberg
(1931), S. 273; Longden (1931), S. 17-18,30-31; Jeffreys (1990), S. 173-174,196-197. Anders die Rekonstruk-
tion von Brodka (2016), S. 292 Anm. 13, dem zufolge Malalas zwei ganz verschiedenen Quellentraditi-
onen gefolgt sei: erstens jener, die auf Domninos zurückgeht, mit der falschen Nachricht über die Be-
setzung Antiochias (und siehe dazu auch oben, Anm. 14); zweitens jener, die auf Arrians Parthica zu-
rückgeht, die die zuverlässigen in der Erzählung vorhandenen Informationen weitergegeben habe.
57 Mitchell (2014), S. 227-228, 229-232; hilfreich auch Gregoratti (2006), S. 263-267 und dies. (2015).
58 Dass Trajans Ruf als Sieger über die Parther/Perser im spätantiken Osten noch überall verbreitet war,
wird durch einen bekannten Abschnitt bei Johannes von Ephesos, dem Zeitgenossen des Malalas, be-
stätigt, dem zufolge es in Persien noch eine Statue des Kaisers gab, an der es aus Angst niemand wagte,
vorbeizureiten (Historia ecclesiastical III 6,23 (323/245 Brooks)).
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kiert: Der ausgedehnte Aufenthalt des Kaisers in der Stadt (im Winter 114, im Winter
115-116 und dann 117) machte sie nicht nur in jener Zeit zum Mittelpunkt des Reiches
(wie ein berühmter Abschnitt bei Cassius Dio über das Erdbeben bestätigt), sondern
er war der Beginn einer Reihe von adventus, die die östliche Metropole mit der Zeit in
einen Kaisersitz verwandelte.55 Nach Augustus war Trajan der erste römische Kaiser,
der die Stadt besuchte: Die Bedeutung dieses Ereignisses muss auf die Lokalhisto-
riographie zurückgestrahlt haben. Es ist kein Zufall, dass Malalas diesbezüglich auf
Δομνΐνος verweist. Wie auch immer man diesen Namen verstehen will, gilt sein
Träger doch als Bewahrer des historischen Gedächtnisses von Antiochia.56 Darüber
hinaus darf man nicht vergessen, dass Antiochia bereits im Zentrum der politisch-
militärischen Aktivität des Kaiservaters stand. Es ist jener Marcus Ulpius Traianus,
legatusNon Syrien, der zwischen 73/74 und 76/77 n.Chr. die Stadt zu einer logistischen
Basis und einem Brennpunkt der römischen politischen Obrigkeit im Osten gemacht
hat; der zukünftige Kaiser, der zur damaligen Zeit als tribunus militum in Syrien tätig
war, hatte demnach bereits in jungen Jahren eine enge Bindung zu Antiochia auf-
bauen können.57
In einem Teil der Lokalhistoriographie konnte sich also eine Erzählung heraus-
bilden, die die Größe von Antiochia in Verbindung mit Kaiser Trajan, der die Stadt
so geehrt hatte, zu lobpreisen bezweckte; in diesem Sinne hat die Erzählung von ei-
ner feindlichen Besatzung, die dank der Synergie zwischen kaiserlichem Willen und
Tugend der Antiochener vereitelt werden konnte, große Bedeutung. Ein Massaker
unter den Parthern/Persern zu Ehren des βασιΛεύς, der schlechthin der Parthicus ist:
Wenn diese Geschichte nicht wahr ist, so ist sie doch gut erfunden.58 Verschiedene
Elemente des Textes verstärken gemeinsam die triumphale Dimension des Ereignis-
55 Cassius Dio, Historiae Romanae LXVIII 24,1-2: διατρίβοντος δε αύτού έν Αντιόχεια σεισμός
εξαίσιος γίνεται· καί πολλαί μεν έκαμον πόλεις, μάλιστα δε ή Αντιόχεια έδυστύχησεν.
άτε γάρ τού Τραϊανού έκεϊ χειμάζοντας, καί πολλών μεν στρατιωτών πολλών δε ιδιωτών
κατά τε δίκας καί κατά πρεσβείας εμπορίαν τε καί θεωρίαν πανταχόθεν συμπεφοιτηκό-
των, ούτε έθνος ούδέν ούτε δήμος ούδείς άβλαβης έγένετο, καί ούτως έν τή Αντιόχεια
πάσα ή οικουμένη ή ύπό τοϊς Ρωμαίοις ούσα έσφάλη. Zur Bedeutung von Antiochia in dieser
Zeit siehe auch die Bemerkungen von Millar (1993), S. 104-105; allgemeiner zu den Beziehungen zwi-
schen der Stadt und der Zentralmacht in den ersten drei Jahrhunderten unserer Ära siehe Bérenger-
Badel (2004).
56 Zur Bedeutung des Werkes von Domninos in der Chronographia von Malalas siehe Mecella (2017),
S. 73-78, 87-88. Der Αρειανός, der hier zusammen mit ihm genannt wird, ist wahrscheinlich eine
Verfälschung des Namens von Arrian, den Malalas wahrscheinlich nur durch seine Quelle kannte:
siehe dazu A. von Gutschmid, apud Dierauer (1868), S. 155-156,176-177; Schenk Graf von Stauffenberg
(1931), S. 273; Longden (1931), S. 17-18,30-31; Jeffreys (1990), S. 173-174,196-197. Anders die Rekonstruk-
tion von Brodka (2016), S. 292 Anm. 13, dem zufolge Malalas zwei ganz verschiedenen Quellentraditi-
onen gefolgt sei: erstens jener, die auf Domninos zurückgeht, mit der falschen Nachricht über die Be-
setzung Antiochias (und siehe dazu auch oben, Anm. 14); zweitens jener, die auf Arrians Parthica zu-
rückgeht, die die zuverlässigen in der Erzählung vorhandenen Informationen weitergegeben habe.
57 Mitchell (2014), S. 227-228, 229-232; hilfreich auch Gregoratti (2006), S. 263-267 und dies. (2015).
58 Dass Trajans Ruf als Sieger über die Parther/Perser im spätantiken Osten noch überall verbreitet war,
wird durch einen bekannten Abschnitt bei Johannes von Ephesos, dem Zeitgenossen des Malalas, be-
stätigt, dem zufolge es in Persien noch eine Statue des Kaisers gab, an der es aus Angst niemand wagte,
vorbeizureiten (Historia ecclesiastical III 6,23 (323/245 Brooks)).