Metadaten

Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Editor]; Gengler, Olivier [Editor]; Meier, Mischa [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI chapter:
II. Memoria und Kaisertum
DOI chapter:
Brennecke, Hanns Christof: Hagiographie als Kaisermemorie - Kaiser Zenon in der Vita Danielis
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0114
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Hagiographie als Kaisermemorie - Kaiser Zenon in der Vita Danielis

"3

Die Flucht Zenons ist somit nicht nur ein Beweis für seine Feigheit, sondern für Eu-
agrios ist es die sich zwangsweise ergebende Folge seines Lebenswandels.
Auffällig erscheint, dass das Bild Zenons bei dem Kirchenhistoriker Euagrios
überhaupt nicht dogmatisch oder kirchenpolitisch bestimmt ist. Zenon gilt durchaus
als Vertreter der Beschlüsse des Konzils von Chalkedon,28 das Henoticon von 48z,29
immerhin für Rom der Anlass, die Gemeinschaft mit Konstantinopel aufzuheben
(weil Konstantinopel dadurch angeblich die Beschlüsse von Chalkedon zumindest
verwässert hatte),30 wird von Euagrios dagegen nicht als gegen die Beschlüsse von
Chalkedon gerichtet kritisiert.31 Das absolut negative Urteil des Kirchenhistorikers
Euagrios über Zenon wird also nicht mit häretischen Neigungen des Kaisers oder der
Unterstützung häretischer Gruppen durch ihn begründet, sondern ist offenbar ganz
aus der historiographischen Überlieferung des 6. Jahrhunderts übernommen.
Der byzantinische Historiograph Malalas und der Kirchenhistoriker Euagrios
Scholasticus haben die spätere byzantinische Überlieferung besonders stark geprägt.
Die grundsätzlich negative Beurteilung Zenons findet sich später bei Theophanes,32
Kedrenos33 und Zonaras34 bis hin zu Nikephoros,35 auf die hier im Einzelnen nicht
weiter einzugehen ist.
Ein etwas anderes und sehr neutrales Bild bietet dagegen das Chronicon Paschale.^
Die Frage ist: Wovon sind die Autoren des sechsten Jahrhunderts, vor allem Ma-
lalas und Euagrios in ihrem negativen Urteil abhängig?
Euagrios hat sich bei seiner Darstellung der Herrschaft Zenons mehrfach auf
einen sonst weithin unbekannten Eustathios von Epiphania37 bezogen. Fragmente
dieses Historikers sind allerdings nur bei Euagrios überliefert.38 Karl Feld hat ange-
nommen, dass das überaus kritische Urteil des Euagrios über Zenon auf diesen sonst

über den Lüsten den Mangel an Tapferkeit an -, sondern floh Hals über Kopf und überließ ein so
großes Reich kampflos dem Basiliskos.“ (S. 335 Hübner).
28 Evagrius, Historia ecclesiastica III 3; 5; 8.
29 Bei Euagrios (Historia ecclesiastica III14) die griechische Fassung; vgl. dazu Brennecke (1998).
30 Brennecke (1998); ders. (2013); Kötter (2013).
31 Evagrius, Historia ecclesiastica III13-23.
32 Theophanes, Chronographia AM 5966-5983 (S. 119-136 de Boor): Zenon ist feige, flieht vor Basiliskos
mit zusammengerafftem Geld, ist ein Gewaltherrscher. Theophanes ist besonders von Euagrios abhän-
gig. Nach AM 5968 (122, 24 de Boor) soll Akakios gegen Basiliskos und Zenon gepredigt haben. His-
torisch kann es sich hier nur um einen Irrtum handeln. De Boor vermutet, dass hier eigentlich Aelia
Zenonis, die Frau des Basiliskos (PLRE II, S. 1203) gemeint ist.
33 Cedrenus, Compendium historiarum, PG 121, Sp. 665-681; zur negativen Charakteristik vgl. besonders
PG 121, Sp. 669.
34 Zonaras, Epitome historiarum (S. 126-132 Büttner-Wobst).
35 Nicephorus, Historia ecclesiastica XVI1-24 (PG 147, Sp. 115-162). Eine grundsätzlich negative Charakte-
ristik Historia ecclesiastica XVI1 (PG 147, Sp. 115-118).
36 Chronicon Paschale 8-607,11 (PG 92, Sp. 827-830).
37 Uber Eustathios ist fast nichts bekannt; vgl. PLRE II, s. n. Eustathius 10, S. 435-436; Allen (1981), S. 7-8;
Hübner (2007), S. 56-57.
38 Müller, FHG IV, S. 138-142.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften