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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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III. Ausformungen kirchlicher memoria
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Menze, Volker: Johannes Malalas, die Rezeption des Konzils von Chalkedon und die christlichen milieux de mémorie im 6. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0141
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Volker Menze

Eutyches und Dioskoros auf Seiten der Chalkedonier, Ibas von Edessa und Theodoret
von Kyrrhos auf Seiten der Nichtchalkedonier - können hier nicht weiter dargelegt
werden. Bemerkenswert sind aber die Aussagen der Chalkedonier, dass Dioskoros
kein Häretiker sei, obwohl dies 532 offizieller chalkedonischer Standpunkt war. Die
Nichtchalkedonier hingegen mussten zugeben, dass Chalkedon durchaus zu Recht
einberufen wurde, weil Dioskoros sich beim zweiten Konzil von Ephesos 449 nicht
untadelig verhalten habe.40
Als sie zum Abschluss der Gespräche zur Audienz zu Kaiser Justinian kamen,
fragte dieser die Nichtchalkedonier, ob sie nicht das Konzil von Chalkedon bezüglich
der Verdammung des Eutyches - ohne die neue Glaubensformel - anerkennen könn-
ten.41 Vielleicht wären die nichtchalkedonischen Bischöfe dieser Forderung nachge-
kommen, wenn Justinian nicht gleichzeitig gefordert hätte, auch den Lehrbrief Papst
Leos und Hormisdas’ llbellus anzuerkennen, der Dioskoros als Häretiker verdammte
und damit nicht nur den nichtchalkedonischen Standpunkt, dass Dioskoros eben kein
Häretiker war, unterminiert, sondern auch die gesamte post-chalkedonische Tradition
der Nichtchalkedonier als häretisch gebrandmarkt hätte.42
Zusammenfassend lassen sich bezüglich der nichtchalkedonischen Rezeption des
Konzils von 451 zwei gegensätzliche Entwicklungen ausmachen: der Dämonisierung
des Konzils und der Heiligsprechung ihrer Gegner standen die Akzeptanz der diszi-
plinarischen Kanones wie auch die Anathematisierung des Eutyches gegenüber. Dies
war nicht nur widersprüchlich, sondern vor allem war die Dämonisierung des Kon-
zils einerseits und explizite Verdammung des Eutyches (was Kritik an Dioskoros und
dem zweiten Konzil von Ephesos impliziert) andererseits zu komplex für den öffent-
lichen Diskurs. Überraschenderweise hatten die Sieger des Konzils aber noch größere
Schwierigkeiten, das Konzil einzuordnen und eine Rezeption zu kanonisieren.
3. Die Rezeption von Chalkedon bei den Anhängern des Konzils
in Ost und West
Der unbestrittene Champion des Konzils von Chalkedon, Papst Leo der Große (440-
461), war zunächst ganz und gar nicht angetan von dem Gesamtpaket, das seine Le-
gaten wie auch die Abgesandten des Patriarchen Anatolios von Konstantinopel ihm
vom Konzil von Chalkedon Ende 451 übermittelten. Anfang November 451 dürfte das
Konzil von Chalkedon zu Ende gegangen sein und die päpstlichen Legaten reisten

40 Conversations with the Syrian Orthodox, ed. Brock, S. 96-97 fur Dioskoros als nicht-häretisch. Innocen-
tius übergeht diesen Punkt, aber es gibt keinen Grund, den syrischen Bericht anzuzweifeln. ACO IV 2,
S. 171 für die Rechtmäßigkeit der Einberufung des Konzils von Chalkedon. Der syrische Bericht über-
geht ebenfalls diesen Punkt, aber der Diskussionsverlauf im Bericht spricht dafür, dass die Chalkedo-
nier diesen Punkt vorbrachten und die Nichtchalkedonier das nicht ganz abstreiten konnten.

41 Conversations with the Syrian Orthodox, ed. Brock, S. 116-117.

42 Siehe Menze (2008), S. 89-101.
 
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