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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

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VI. Die Chronik als Memorialgattung
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Gastgeber, Christian: Klassisch-paganes Erbe: Was bleibt in der memoria der Weltchronik? Memorialkultur des Chronicon Paschale
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https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0304
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Klassisch-paganes Erbe: Was bleibt in der memoria der Weltchronik?

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Im Zeitraum des Kompilators des Chronicon Paschale (und möglicher Fortsetzer)
darf man mit Ausnahme von Homer, Pindar, Euripides und - schon wiederum be-
schränkt - Aischines nur mit großem Vorbehalt die breitere Kenntnis in nicht belle-
tristisch ausgerichteten ,Lesekreisen4 voraussetzen; sofern eine Schulausbildung und
damit eine literarische Basislektüre vorausgesetzt werden kann bzw. aus dem Werk of-
fensichtlich ist, wird man vorbehaltlos die in den Schulkanon übernommenen Auto-
ren als ,gelesenes Kulturerbe4 akzeptieren, doch jede Erwähnung oder Zitierung über
diese Basis hinaus muss in das Gesamtbild der literarischen Bildung eines Autors
passen - mit allen Abstrichen von Varietäten im Hinblick auf das Zielpublikum. Ge-
rade in diesem Punkt - und im Vergleich zu Malalas - spricht beim Chronicon Paschale
wenig für eine bewusste memoria Klassischer Autoren. Die bloße Namensnennung
der besagten Autoren ohne Zusatz ist also wohl wieder einmal als ,nicht weiter reflek-
tierte4 Übernahme aus einer Quelle zu interpretieren.
Ergänzend sei dazu noch ein Überblick insgesamt der literarischen Belege der
Klassischen (nicht-christlichen) Literatur (wie gesagt in der Regel in Fragmenten
und nicht als überlieferte Gesamteinheiten) im Vergleich zur Gesamtüberlieferung
gegeben:

no filter ■
religion contains classical □


(der schwarze Balken zeigt die gesamte Überlieferung an,
der weiße die rein Klassische Literatur)

Es zeigt sich somit eine generelle Abnahme der Schriftbelege, so dass zur Zeit
der Abfassung des Chronicon Paschale der Klassische Kanon bereits reduziert war. Das
macht freilich die Frage der Rezeption und Nennung solcher Autoren noch umso
interessanter, als sie zu einer Zeit einer deutlich schwindenden Kenntnis stattfindet.
Dieses Faktum lässt einmal mehr die Frage aufkommen, wie sehr man die konkrete
Relevanz der Erwähnung eines Klassischen Autors zu bewerten hat - als anachronis-
tisches Zitat, das aus der Vorlage übernommen wird, oder als kulturelles Gedächtnis,
das gepflegt und vorsätzlich gewahrt werden soll.
 
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