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Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
VI. Die Chronik als Memorialgattung
DOI Kapitel:
Juhász, Erika: Spuren der christlichen Erinnerungskultur in der Osterchronik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0328
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Spuren der christlichen Erinnerungskultur in der Osterchronik


Über die unter Julian Apostata (361-363) an den Christen verübten Grausamkei-
ten konnte Eusebios nicht mehr berichten, bei Malalas hat der Chronist jedoch auch
hierfür Informationen gefunden und den Bericht über das Martyrium des Heiligen
Dometios wortwörtlich abgeschrieben.89 Die Bonner Ausgabe fürht diese Geschichte
unter einem gesonderten Titel an, was allerdings irreführend ist: Im Codex Vaticanus
Graecus 1941 (215Ό wird in einer einfachen Randnotiz auf den Inhalt hingewiesen.
Schlussbetrachtung
Über die „unzählbare Schar von Märtyrern“ (um den Verfasser selbst zu zitieren), die
in den ersten vier nachchristlichen Jahrhunderten ihr Leben für ihren Glauben gelas-
sen haben, kann man vom Chronisten selbstverständlich keine Rechenschaft verlan-
gen; ebensowenig ist von ihm zu erwarten, dass er das Martyrium, die Einkerkerung,
die Folter und den qualvollen Todes jedes einzelnen Blutzeugen niederschrieb. Wie
er mehrfach bemerkt, wäre die bloße Aufzählung aller Namen ein aussichtsloses Un-
terfangen. Es scheint jedoch lohnend, abschließend kurz darüber nachzudenken, nach
welchen Aspekten er seine Auswahl von den ihm in seinen Quellen zur Verfügung
stehenden Daten getroffen haben mag.
Über die oben erwähnten hinaus gibt es kaum Einträge im Chronicon Paschale,
die nicht irgendwelche Entsprechungen zu anderen erhaltenen Texten (spätestens aus
dem 7. Jahrhundert) aufweisen. Um einen solchen Eintrag handelt es sich z.B. bei
einem Ausschnitt aus einem Brief des Lukian,90 der ausschließlich in der Osterchronik.
erhalten geblieben ist; da dieser aber an aus Eusebios stammende Partien anschließt
(und wir sicher wissen, dass Eusebios mit Vorliebe Dokumente zitierte), ist nicht aus-
zuschließen, dass der Chronist diese Passage letztlich dem Eusebios entlehnt hatte.
Die Opfer der Verfolgungen unter Kaiser Iulian - Artemius, Aemilianus sowie deren
unzählige namentlich nicht erwähnte Glaubensbrüder91 - werden auch von Theopha-
nes behandelt,92 wobei unklar ist, wer die gemeinsame Quelle der beiden Historiogra-
phen gewesen sein mag.
Im Allgemeinen hat sich der Chronist von seinen Hauptquellen nie wirklich ent-
fernt. In vereinzelten Fällen mag er zwar nach den in seinen Quellen auftauchenden
Märtyrern geforscht, ja sogar auch die Märtyrerakten des Pionios und des Polykarp
eingesehen haben, wir können aber nicht ausschließen, dass die zusätzlichen Daten
auf andere Fassungen der uns bekannten Texte zurückzuführen sind.
Angesichts des Vorangehenden scheint für den Chronisten bei der Aufzeichnung
der Leiden christlicher Märtyrer - wie auch in sonstigen Fällen - die Auffüllung des
chronologischen Gerüsts die primäre Aufgabe gewesen zu sein. Der anonyme Autor

89 Malalas, Chronographia XIII 20; Dindorf (1832), S. 550,6-19.

90 Dindorf (1832), S. 516,2-6.

91 Dindorf (1832), S. 549,12-21.

92 Theophanes, Chronographia AM 5855 (5. 51,14-27 de Boor).
 
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