Metadaten

Internationale Tagung "Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur" <2016, Tübingen>; Borsch, Jonas [Hrsg.]; Gengler, Olivier [Hrsg.]; Meier, Mischa [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Malalas-Studien: Schriften zur Chronik des Johannes Malalas (Band 3): Die Weltchronik des Johannes Malalas im Kontext spätantiker Memorialkultur — Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2019

DOI Kapitel:
VI. Die Chronik als Memorialgattung
DOI Kapitel:
Juhász, Erika: Spuren der christlichen Erinnerungskultur in der Osterchronik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61687#0329
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
328

Erika Juhasz

bediente sich in der Regel an Texten, die mit Datierungselementen irgendwelcher
Art aufwarten; auf Basis der Herrscher- oder Konsuldaten, eventuell ergänzt durch
relative chronologische Berechnungen, konnte dann das Todesdatum des gegebenen
Märtyrers entsprechend am chronologischen Gerüst angebracht werden.
Ein Vergleich mit den Quellen des Chronisten wird vor allem durch den Umstand
erschwert, dass diese ausnahmslos verschollen sind oder eine mehrfache Überarbei-
tung erfahren haben, deren Zwischenstationen nur noch teilweise rekonstruierbar
sind. Die Untersuchung der Berichte über die christlichen Märtyrer kann uns jedoch
weiterhelfen, wenn wir - im Rahmen des Möglichen - feststellen wollen, welche
Werke dem Chronisten zugänglich waren. Als Hauptquellen benutzte er in diesem
Zusammenhang die die Ereignisse ab Christi Himmelfahrt datierende Arbeit eines
anonymen Verfassers sowie Eusebios’ Chronologische Tabellen. Um diese zu ergänzen,
griff er auch zu weiteren Werken: vor allem bezog er sich auf Eusebios’ Kirchenge-
schichte, fand aber Brauchbares auch in der Arbeit des Malalas.
Im Lichte der obigen Ausführungen kann man vermuten, dass der Chronist die
Chronikoi Kanones für die Herrschaft des Diokletian (und spätere Begebenheiten)
nicht mehr benutzte; ebensowenig wird er Eusebios’ Werk über die Märtyrer von
Palästina (zumindest nicht dessen längere Fassung) in der Hand gehabt haben, son-
dern schöpfte wohl aus einer Version der Kirchengeschichte, in der die Märtyrer von
Palästina nicht erwähnt werden.
Neben dem Zustand seiner Quellen müssen freilich auch die aus der Texttradition
des Chronicon Paschale resultierenden Probleme berücksichtigt werden,93 wobei die
möglicherweise intendierte Auslassung einzelner Daten auch auf ein bewusstes Ar-
beitskonzept des Autors schließen lassen kann.
Die vielleicht augenfälligste Auslassung ist die Unterschlagung des Origenes
und seines Vaters, des Blutzeugen Leonides, die trotz des dem Autor zur Verfügung
stehenden reichen Quellenmaterials - wahrscheinlich absichtlich - unerwähnt blei-
ben.94
Bei einem Vergleich mit dem Werk des Malalas fällt auf, dass die Osterchronik
die Heiligen Kosmas und Damian nicht erwähnt, obwohl Malalas (womöglich dank
des regen Interesses von Kaiser Justinian an den Heiligen Ärzten)95 der Schilderung
ihrer Taten und ihres Todes längere Partien widmet.96 Laut Malalas wurden sie unter
Carinus von einem Felsen gestürzt. Wie oben angesprochen, hatte der Verfasser des
Chronicon Paschale jedoch die beiden Herrscher Carinus und Numerianus vertauscht;
somit hätte der Bericht über die Heiligen nur mit Mühe in das chronologische Gerüst
eingefügt werden können.
Der Verfasser der Osterchronik ließ noch eine weitere Textstelle in Malalas’Werk
außer Acht: Malalas überliefert auch den Tod der Märtyrer Pantoleon, Hesychios,

93 Siehe die Ausführungen zum Tod der Apostel Petrus und Paulus (oben).

94 Siehe oben.

95 Procopius, de Aedificis I 6,5-6; II 11,4.

96 Malalas, Chronographia XII 36.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften