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Bandini, Ditte [Editor]; Hinüber, Oskar von [Editor]; Dickoré, Wolf Bernhard [Editor]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0067
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Shing Nala

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von Shing Nala entfernt liegen. Es ist zu vermuten, daß die Scheibendarstellungen von Einheimischen stammen
und aus einer späteren Zeit datieren als die buddhistischen Gravuren der Felsbildstation. Hierfür spräche auch die
Abgelegenheit der Steine, auf denen sie angebracht wurden. Grund hierfür könnte die Scheu vor den bereits exi-
stierenden buddhistischen Ritzungen gewesen sein.260 Ähnliches ist in Hodar zu beobachten.261 Auch die ver-
gleichsweise leichte Patina der Scheiben widerspricht dieser Hypothese nicht.
Von Einheimischen stammen dürften auch die drei Tiergruppen in Shing Nala (37:A; 71 :B, C). Ebenso wie die
Scheiben sind sie auf Steinen angebracht, die nicht zum Kern der Station zu rechnen sind. Es handelt sich um
einfache Strichzeichnungen, wobei zwei, drei und vier Tiere nebeneinander zu stehen scheinen. Bei Gruppe 71 :C
handelt es sich um Schraubenziegen, bei 71:B vielleicht ebenfalls, und drei Tiere der Gruppe 37: A sind gleichfalls
Markhore. Das vierte (37:21) unterscheidet sich deutlich von ihnen und dürfte einen Steinbock darstellen. Was die-
se Gruppen bedeuten sollten, aus welchem Grund sie also ohne Jäger eingepickt wurden, bleibt unklar. Es könnte
beispielsweise Jagdmagie oder ein Dank an Dämonen, Götter oder Feen für eine erfolgreiche Jagd262 dahinter zu
suchen sein.263
Ebenfalls Einheimischen sind wohl die drei ‘Unklar’-Gruppen (68:F, H, K) zuzuschreiben. Alle drei finden sich
auf demselben Stein. Es könnte sich um Tamgas oder auch Hausgrundrisse handeln. Die beiden Ritzungen von
68:F gleichen sich so sehr, daß sie vermutlich von Verwandten oder sogar von einer Hand stammen dürften. Glei-
ches gilt auch für die beiden Darstellungen der Gruppe 68:K. Der Inhalt der Gruppe 68 :H bleibt undurchsichtig,
vor allem da die sehr seltsame Gravur 68:41 nicht zu deuten ist.
Die beiden Ritzungen der einzigen Axtgruppe (68:1) sind auch auf Stein 68 lokalisiert. Die Zeichnungen sind sehr
nachlässig ausgeführt und könnten, falls die Axt 68:44 einen mißglückten ersten Versuch darstellt, von einer Hand
stammen. Die Darstellung 68:44 könnte aber auch eine ungeschickte Nachahmung von 68:43 sein. Die Ritzungen
dürften ebenfalls von Einheimischen stammen.
Die einzige Buddha-Gruppe (47:B) setzt sich aus zwei Buddha-Darstellungen zusammen, wobei klar ist, daß der
große, kunstvoll ausgeführte Buddha 47:5 das Vorbild für den darunter eingepickten, viel kleineren und ungleich
laienhafter ausgeführten Buddha 47:6 gewesen ist. Die Darstellung 47:6 stammt also deutlich von einer anderen
Hand, aber vermutlich aus derselben Zeit wie 47:5.
Von keiner einzigen Gruppe ist eine prähistorische oder eine frühhistorische Entstehungszeit anzunehmen.

28. Szene (Tafeln 48, 50, 53)
Nur fünf als solche erkennbare Szenen sind unter den Felsbildem von Shing Nala zu verzeichnen. Bei vier handelt
es sich um Verehrungsszenen, die fünfte ist einem einheimischen Kontext zuzurechnen.
Die vier Verehrungsszenen (39:A; 40:A; 58:A; 61:B) finden sich, wie nicht anders zu erwarten, im buddhi-
stischen Kern des Felsbildkomplexes. Bei zweien (39:A; 40:A) ist die Deutung als Verehrungsszene gesichert, da
in beiden Fällen ein Mensch neben einem Stüpa auf dem Boden liegend und diesem zugewandt dargestellt ist. Da
es sich um benachbarte Steine handelt, könnte angenommen werden, daß die ungleich schlichter ausgeführte Szene
40:A eine Nachahmung von 39:A darstellt. Die liegende Figur 40:2 ist allerdings auf eine solch abstrahierte und
von der Gravur 39:3 abweichende Weise gezeichnet, daß diese Möglichkeit auszuschließen ist. Vielmehr ist bei
beiden davon auszugehen, daß die Urheber jeweils ein eigenes Vorbild im Sinn hatten. Die Haltung des rechten
Armes der Person 58:2 von Szene 58:A macht deutlich, daß hier ebenfalls eine Verehrungsszene gemeint war. Ein

260 Vgl. unten S. 55.
261 BANDIN1-KÖNIG 1999: 1 18.
262 Wie bei PEISSEL (1984: 47f.) ein Einheimischer aus Zanskar erklärte. Hier war es der Gott Babalachen, dem gedankt wurde.
263 Nach MÜLLER-STELLRECHT (1973: 200) sind entsprechende Gravuren auch vor Beginn der Jagdzeit als “Symbol für Jagdglück
und Entsühnung” angebracht worden. “Das Anbringen einer Ibex-Figur an Felswänden oder Steinen ist daneben als Danksa-
gung an die Feen nach der glücklichen Geburt eines Kindes gedacht.”
 
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