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Bandini, Ditte [Hrsg.]; Hinüber, Oskar von [Hrsg.]; Dickoré, Wolf Bernhard [Hrsg.]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0086
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Gichi Nala

Zwischen der Nala-Miindung und den östlich davon liegenden Gebäuderesten finden sich die schönsten Gravuren
von Gichi Nala. Auffällig ist der Gegensatz zwischen diesen aufwendigen, eng beieinander angebrachten Rit-
zungen und denjenigen, die am alten Weg lokalisiert sind. Dieser alte Weg zieht sich am Indus entlang und ist
teilweise noch gut zu verfolgen, da er, wo immer möglich, zu beiden Seiten mit Steinen markiert ist. An manchen
Stellen schneidet er den Karakorum Highway oder wird von diesem heute überdeckt, im wesentlichen ist er in
diesem Streckenabschnitt aber näher am Indus gelegen. Kleine Wegstrecken sind durch Steinlawinen verschüttet.
Doch selbst ohne die Steinmarkierung ist der Verlauf des alten Weges an den Gravuren abzulesen, die in regel-
mäßigen Abständen die Route kennzeichnen.
Das westliche Ende der Station Gichi ergibt sich aus der Topographie. Hier weicht zur Linken (flußabwärts gese-
hen) der Bergrücken stark zurück, und rechterhand enden die großen für Graffiti geeigneten Steinblöcke und ma-
chen einer weiten Ebene Platz, die überwiegend mit kleinem Geröll bedeckt ist.
Der nächste hier folgende eigentliche Felsbildkomplex ist das etwa 12 km Luftlinie vom Gichi Nala entfernt lie-
gende Oshibat; dazwischen finden sich gegenüber von Hodar etwa 20 Steine, die vereinzelte Brähmi-Inschriften
aufweisen. Das östliche Ende des Felsbildkomplexes Gichi Nala ist gleichfalls durch die Topographie vorgegeben,
da auch hier die größeren Steine kleinem Geröll bzw. einer Sandfläche weichen (vgl. Abb. H). Bis zu den letzten
östlichen Steinen von Gichi Nala ist der Verlauf des alten Weges noch auszumachen, zumal auch die Telegraphen-
masten überwiegend entlang dieses Weges aufgestellt wurden. Der nächste nach etwa einem Kilometer östlich an-
schließende Felsbildkomplex ist Chilas IV-VI, eine Gruppe von kleineren Wegestationen.
Es bleibt also festzuhalten, daß es sich bei den Gravuren, die zur Station Gichi Nala zusammengefaßt wurden, zum
einen um einen Komplex vergleichsweise nah beieinanderliegender überwiegend buddhistischer Ritzungen han-
delt, die östlich des Gichi Nalas angebracht sind; zum anderen um hauptsächlich entlang des alten Weges einge-
pickte Felsbilder und Inschriften. Sie finden sich im wesentlichen im westlich des Nalas gelegenen Teil, der zu-
nächst von K. Jettmar und V. Thewalt, später auch in der Literatur,318 als “Campsite” bezeichnet wurde.319
Die Ritzungen im Nala-Bereich sind in der Hauptsache auf einem durch eine Art Rinne gegliederten großen Fels-
massiv in unmittelbarer Nähe des Karakorum Highways sowie auf einer direkt am Indus gelegenen Felsbarriere
lokalisiert (Abb. H). Sie sind dabei keineswegs nur in Augenhöhe, sondern oft an den höchstgelegenen Stellen ein-
gepickt, die teilweise nur unter Schwierigkeiten zu erreichen waren. Auch dieser Umstand spricht für die Hypothe-
se, daß es sich bei diesen Felsbildem überwiegend wohl nicht um im Vorbeigehen angefertigte Gravuren handelt.
Die Steine hier sind im unteren Bereich stark abgerieben, am Karakorum Highway auch deutlich durch bei Spren-
gungen umherfliegende Steinbrocken beschädigt.320 Sowohl das Felsmassiv als auch die Felsbarriere sind stark
zerklüftet und wirken in manchen Partien wie zerknittert. Von diesen abgesehen, wechseln abgeriebene und une-
bene, rauhe und eckige Flächen mit solchen ab, die glatt und dunkelbraun bis schwarzbraun patiniert sind.321 Der
Boden ist sandig, und dazwischen liegen viele rundgeschliffene Flußkiesel. Zwischen dem Felsmassiv am Karako-
rum Highway und der Felsrippe am Indus erstreckt sich eine Sandfläche, in der Grundmauern von Häusern zu se-
hen sind. Bei ihnen handelt es sich um die Überreste einer Siedlung, die für die chinesischen Straßenarbeiter beim
Bau des Karakorum Highways als Unterkunft errichtet wurde.
Die Steine des westlich vom Gichi-Flüßchen gelegenen Felsbildkomplexes bestehen zunächst aus weiteren Fels-
barrieren, die zum großen Teil steil zum Indus hin abfallen. Dazwischen finden sich viele vom Bau des Karakorum
Highways stammende abgesprengte Steine, aber kein Flußgeröll. Sobald sich das südliche Flußufer weitet, sind die
Gravuren (flußabwärts gesehen) rechts des alten Weges im wesentlichen auf einzelnen Steinen, links auf einer
direkt in die Bergflanke integrierten Felsrippe eingepickt. Das Erdbodenniveau in der Umgebung der Felsrippe war

318 U.a. bei Dani 1995: 36; ANP 1: 45, 50 usw.
319 Hierzu JETTMAR (1987: 667): “Since the sandy plain is so suitable for a rest and even for a caravan camp, we called the place
‘campsite’.”
320 Wie Photos dokumentieren, datieren diese Beschädigungen erst aus den letzten zehn Jahren, eine Beobachtung, die sich ftir die
Felsritzungen des Oberen Indus verallgemeinern läßt.
321 Zur Patinierung vgl. oben S. 10.
 
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