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Bandini, Ditte [Hrsg.]; Hinüber, Oskar von [Hrsg.]; Dickoré, Wolf Bernhard [Hrsg.]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0129
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Gichi Nala

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Daß es sich bei dem ehemaligen Campsite521 um einen Rastplatz handelte, sahen schon Jettmar und auch Dani,522
der es als “convenient place for a last halt” bezeichnete.523 Tatsächlich sind, bevor der Weg von Westen zum Tal-
ausgang des Gichi Nala gelangt, einige Hürden zu überwinden, die, folgt man dem alten Weg, selbst heutzutage
bemerkbar sind. Von Westen kommende Reisende könnten dazu bewogen worden sein, hier noch eine Rast zu
machen, bevor sie nach Chilas weiterzogen. Von Chilas kommende Reisende könnten dagegen nach Überwindung
dieser Schwierigkeiten zu einem Aufenthalt geneigt gewesen sein. Ein anderer Grund für ein Unterbrechen ihrer
Reise ist an dieser Stelle nicht ersichtlich, da ein Übersetzen auf das andere Flußufer erst am Ende der angrenzen-
den Sandfläche möglich ist. Damit entfällt auch die ansonsten vorstellbare Möglichkeit einer zu überbrückenden
Wartezeit, die mit dem Anbringen von Felszeichnungen verkürzt wurde.
Wie die prähistorischen Gravuren deutlich machen und auch einige Jagdszenen dokumentieren, wäre es allerdings
nicht korrekt, diesen westlichen Teil von Gichi Nala als reine Wegestation zu bezeichnen. Ob es hier früher eine
kleine Siedlung gab, läßt sich nicht sagen, da keine baulichen Überreste vorhanden zu sein scheinen. Dennoch ist
davon auszugehen, daß die prähistorischen Ritzungen nicht von Durchreisenden stammen, sondern von Einhei-
mischen. Hier könnte etwa ein Heiligtum lokalisiert gewesen sein, das entweder aus einem vergänglichen Material
wie etwa Holz oder in einem besonderen Stein bestanden haben könnte.524
Auch die aus deutlich jüngerer Zeit datierenden Jagdszenen sind mit Sicherheit nicht das Werk von Ortsfremden.
Vielmehr steigen hier sogar heute noch Jäger in die Berge, weil die Jagdgründe recht gut sein sollen und vor allem
Markhore erlegt werden. Ob die alten Gravuren gleichfalls mit der Jagd Zusammenhängen, wird sich wohl nie klä-
ren lassen.525 Bemerkenswert ist allerdings, daß die mit Abstand älteste Darstellung, ein sogenanntes ‘Gürteltier’,526
nicht in der Nähe des Berghangs, sondern weit davon entfernt nahe am Indus angebracht ist.
Im Zeitraum zwischen den prähistorischen Ritzungen und den mehrere tausend Jahre später eingepickten Inschrif-
ten sowie dazugehörigen Zeichnungen scheinen nur wenige Felsbilder angefertigt worden zu sein. Es folgen die
zahlreichen Brähml-Inschriften, teilweise verbunden mit Stüpa-Darstellungen, sowie einige andere Felsbilder aus
der späteren buddhistischen Zeit. Bemerkenswert ist, daß lediglich eine Gravur, eine Brährm-Inschrift, die im
Vergleich mit den anderen sehr winzig ist, mit einem Meißel eingepickt wurde.
Die verschwindend geringe Anzahl von Scheiben und das völlige Fehlen von Äxten bestätigen die zu Hodar und
Thalpan geäußerte Vermutung,527daß solche Gravuren mit Siedlungen in Verbindung zu bringen sind. Während
auch weitere aus nachbuddhistischer Zeit stammende Ritzungen im westlichen Teil des Felsbildkomplexes nicht
nachzuweisen sind, wird die Tradition des Felsmalens in neuerer Zeit fortgesetzt. Dort, wo sich der alte Weg mit
dem Verlauf des Karakorum Highways deckt, sind die Steine und auch einige Inschriften mit modernen Urdu-In-
schriften übermalt, die wie vor 1500 Jahren in der Regel den Namen des hier Vorbeigekommenen wiedergeben.
Der östliche Teil der Felsbildstation weist einen anderen Charakter auf, obgleich auch dort kein eigentlicher Kern
auszumachen ist, um den herum sich die meisten Gravuren konzentrieren würden. Wie in Shing Nala ist hier auf-
fallend, daß prähistorische Hand- und Fußabdrücke sowie Riesen fehlen. Einige Gravuren dürften aus frühhistori-
scher Zeit stammen, doch sind sie fast sämtlich am östlichen Ende des Komplexes angebracht, das schon als Fort-
setzung des alten Weges aufzufassen ist und wo sich die Felsen einer Bergflanke bis nahe an das Indusufer herun-
terziehen. Es finden sich weiterhin keine Tierstilgravuren, keine Darstellungen von Fehden, damit verbundenen
Tierszenen und keine gehömten(?) anthropomorphen Wesen. Es gibt weiterhin keine anderen als Brähml-Inschrif-

521 Siehe oben S. 70.
522 Dani 1995: 36.
523 JETTMAR 1987: 667.
524 Vergleichbar den bei MÜLLER-STELLRECHT 1973: 210f. erwähnten Sippensteinen, bei denen Opfer dargebracht wurden.
525 Nach HUSSAM-UL-MULK (1974: 109) sollen in Chitral Jäger Opfergaben für die Feen auf einem Stein “at the mouth of the val-
ley” deponiert haben.
526 Zu dieser Bezeichnung vgl. oben S. 85.
527 Hierzu BAND1N1-KÖN1G 1999: 129.
 
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