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Bandini, Ditte [Hrsg.]; Hinüber, Oskar von [Hrsg.]; Dickoré, Wolf Bernhard [Hrsg.]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0130
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Gichi Nala

ten, keine Darstellungen von Elefanten, Kamelen oder ähnlich ortsfremden Tieren, keine Jagdszenen und keine
deutlich als solche zu erkennenden Darstellungen von Jägern.
Bemerkenswert ist dieser Teil von Gichi Nala durch seine buddhistischen Gravuren, von denen einige als qualitativ
überdurchschnittlich bezeichnet werden können. Sie finden sich vor allem auf einem hohen, stark zerklüfteten
Felsmassiv, dessen überwiegend wie zerknittert wirkende Oberfläche für das Anbringen von Felsbildem nicht eben
geeignet erscheint. Umso erstaunlicher ist, daß gerade hier vergleichsweise schöne und durchaus anspruchsvolle
Stüpas eingepickt wurden, von denen einige mit inhaltlich besonderen Inschriften versehen sind, in denen Tathä-
gatas oder Bodhisatvas namentlich genannt werden.
Diese Ritzungen finden sich zwar im wesentlichen an der heutigen Straße, doch führte der alte Weg nicht hier vor-
bei. Dieser Umstand bestätigt ebenso wie der zeitliche Aufwand, den solche Bilder erfordert haben müssen, daß
sich hier keine Durchreisenden verewigt haben.528 Für diese Vermutung spricht auch das hier wie in Shing Nala
deutlich zu beobachtende Phänomen, daß viele Gravuren weit oben auf den Steinen angebracht wurden. Dabei
handelt es sich nicht nur um Stüpas und Inschriften, sondern auch um Tierzeichnungen. Da für letztere nicht wie
für die buddhistischen Darstellungen das Ansammeln von Verdienst oder religiöse Vorschriften ins Feld geführt
werden können, liegen hier vielleicht Reinheitsvorstellungen zugrunde. Andererseits könnte auch der Brauch der
Buddhisten von Einheimischen nachgeahmt worden sein, ohne daß ihnen die Gründe für diesen Brauch bekannt
waren.
Es ist weiterhin zu erwähnen, daß es ganz im Gegensatz zu Shing Nala hier keine großen Stüpa-Darstellungen gibt.
Es sind auch keine Buddhas oder Adoranten dokumentiert, wie sie aus Shing Nala, Chilas und Thalpan bekannt
sind. Falls die hier lebenden Buddhisten nicht ausschließlich Laien waren, kann wohl geschlossen werden, daß an
diesem Ort kein Kloster überregionaler Bedeutung bestanden hat.529 Zu erwähnen ist an dieser Stelle, daß in einer
im westlichen Teil lokalisierten Inschrift von Gichi Nala ein Kloster (“Bhadrarajnamksatravavihära”) genannt
wird. Doch dürfte hiermit wohl das Herkunftskloster des Schreibers gemeint gewesen sein.
Auf dem jenseitigen, also westlichen Ufer des Gichi-Flüßchens finden sich viele Keramikfragmente, die laut H.
Hauptmann denjenigen aus Thalpan zu vergleichen sind und daher vermutlich aus buddhistischer Zeit stammen
dürften,5 '11 wenn Dani sie auch in das 1. Jt. v. Chr. datiert.531 Nicht klar ist jedoch, welcher Art die Siedlung war,
die zu jener Zeit hier existierte. In geringer Entfernung des Flußufers finden sich auch einige Gräber, deren Alter
unbestimmt ist. Auf einer Fehllesung Danis beruht die Angabe, “the great king of kings, Amarasimha”5"2 habe sich
hier aufgehalten oder sich hier jedenfalls inschriftlich bezeugen lassen. Es sind auch keine sonstigen Anzeichen,
wie etwa archäologische Reste eines Forts zu vermerken, die dafür sprechen könnten, daß in Gichi Stammesfürsten
dauerhaft gewohnt hätten.
Ob hier nun ein kleines Kloster existierte oder buddhistische Laien lebten, zeigt sich jedenfalls an den anspruchs-
volleren unter den buddhistischen Gravuren, daß die Urheber, anders als etwa die Zeichner der Stüpas in Hodar,
Stüpas entweder vom Augenschein her kannten oder aber mit deren Architektur auf andere Weise vertraut waren.
Auffällig ist ein schon aus Shatial bezeugtes Phänomen, das bislang als unvollendete Stüpa-Zeichnungen erklärt
wurde. Es handelt sich um zwei einfache Rechtecke, die mit Inschriften versehen sind. Die Gravuren sind sorg-
fältig ausgeführt und machen durchaus den Eindruck, als ob sie absichtlich ‘unvollendet’ gelassen wurden. Es

528 Auffallend ist lediglich, daß einer der Stüpas (3:6) und die dazugehörige Inschrift unvollständig geblieben sind. Diese Gravuren
könnten also tatsächlich von einem Reisenden stammen, der aus irgendeinem Grund überstürzt aufbrechen mußte.
529 Auch Dani (1995: 37) ist der Ansicht, Gichi sei ein “Buddhist occupational site” gewesen.
530 Die durch die Forschungsstelle Archäometrie in Heidelberg mittels Thermolumineszenz vorgenommenen Datierungen unter-
stützen den archäologischen Zeitansatz.
531 Dani 1995: 37; außerdem ist hier von mesolithischen Artefakten die Rede, die bei Gichi gefunden worden sein sollen; darauf
beruhend die Angaben bei SALIM (1998: 290), der von den “only earliest remains of hunter-gatherers” in diesem Zusammen-
hang spricht. Steingeräte dieser Epoche konnten um Gichi Nala nicht nachgewiesen werden. Ein eindeutiger archäologischer
Nachweis für die Existenz eines “Mesolithikums” am Oberen Indus steht deshalb noch aus (H. Hauptmann).
532 Dani 1983: 78; die Angabe JETTMARs (1985: 762), ein Ksatrapa sei hier bezeugt, ließ sich dagegen bestätigen (s.o.).
 
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