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Bandini, Ditte [Hrsg.]; Hinüber, Oskar von [Hrsg.]; Dickoré, Wolf Bernhard [Hrsg.]
Die Felsbildstationen Shing Nala und Gichi Nala — Materialien zur Archäologie der Nordgebiete Pakistans, Band 4: Mainz, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.37089#0131
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Gichi Nala

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könnte sich hier um Pars-pro-toto-Darstellungen von Stupas handeln, die möglicherweise als Meditationshilfen
dienten.533
Vier Stüpas heben sich durch ungewöhnliche Merkmale von den übrigen ab. Sie weisen aufgrund der gezeichneten
Augen und ihrer Details in weiter östlich liegende Gegenden des Himalaya.534 Außerdem offenbaren sie die indivi-
duelle Handschrift einer Person, eines Sarighamitra (bzw. dessen Familie), der zwar in Gichi Nala ansässig war,
sich aber von den anderen buddhistischen Bewohnern unterschied.535 Ob der Urheber der Ritzungen das fremde
Element der Augen von einer eigenen Reise her kannte und an den Oberen Indus ‘mitbrachte’, ob er seine Phanta-
sie spielen ließ, indem er seine Stüpas auch mit Ohren versah,536 oder ob die Zeichnungen, wie Jettmar annimmt,
mit einem Sonnenkult in Verbindung stehen,'37 bleibt ungeklärt.
Die verhältnismäßig geringe Anzahl von Gravuren in diesem östlichen Teil des Felsbildkomplexes legt nahe, daß
hier wenige Personen lebten - wofür auch die wenigen Namen mit der Endung -ota sprechen könnten. Auch
scheinen nicht viele Reisende hier Rast gemacht zu haben. Diese Tatsache wird dadurch erklärlich, daß Chilas nur
etwa acht Kilometer vom Gichi Nala entfernt liegt und bis zum Nala keine nennenswerten Hindernisse zu überwin-
den sind, da das südliche Flußufer breit und gut zu begehen ist. Wer von Chilas nach Westen wollte, hatte keinen
Grund, vor Überqueren des Nalas von Gichi eine längere Pause einzulegen. Nach A. Stein, der hier im Jahre 1942
auf dem Weg nach Chilas vorbeikam, ist die Mündung des Gichi-Flüßchens jedoch “the only spot where water and
some Vegetation were met on the trying march of 18 miles along the rocky wildemess above the left bank of the
Indus”.538
Daß einige frühere Reisende die schattenspendenden Felsen am alten Weg dennoch zu einer Rast nutzten und sich
vielleicht mit Wasser des Gichi-Flüßchens erfrischten, machen nicht nur Inschriften, damnter eine des inzwischen
aus zahlreichen anderen Stationen bekannten Amrtendrälamkära deutlich, sondern auch die sehr wahrscheinlich
nicht von Einheimischen stammenden Zeichnungen von Feuer(?)altären. Sie gibt es in der Hauptsache in Felsbild-
komplexen, in denen die Anwesenheit von Sogdiem inschriftlich bezeugt ist. Im östlichen Teil von Gichi Nala ist
dies allerdings nicht der Fall, und keine Tamgas, Phalloi, Köpfe oder anderen auf die Sogdier zurückgehenden
Darstellungen sind hier anzutreffen - bis auf die Feuer(?)altäre. Die Annahme, daß sich die Sogdier am Oberen In-
dus im allgemeinen dort aufhielten, wo vermutlich keine Siedlungen lokalisiert waren,539 erfährt durch die eine
sogdische Inschrift, die Halbpalmetten und die iranischen Namen im westlichen Teil von Gichi Nala möglicher-
weise eine Bestätigung. Nicht erklärt ist damit allerdings die Existenz der Feuer(?)altäre im östlichen Teil.'40
In englischer Zeit ist hier ein “Levy Post” (“Rekrutierungsposten”) eingezeichnet,541 und so könnten einige der
noch sichtbaren Mauerreste östlich des Nalas von einem entsprechenden Gebäude stammen. Die übrigen zwischen
Indus und großem Felsmassiv noch vorhandenen Gebäudereste sind dagegen auf eine im Zuge des Karakorum-
Highway-Baues angelegte chinesische Arbeitersiedlung zurückzu führen. Daß der Mündungsbereich des Nalas
auch in buddhistischer Zeit bewohnt war, legen die Baureste direkt am Nala nahe, in deren unmittelbarer Nähe die
erwähnten Keramikfragmente gefunden wurden. Hierzu erklärt Jettmar, es müsse seit der Kusäna-Zeit, “Routen
für den Fernverkehr unter dem Schutz lokaler Fürsten mit buddhistischen Klöstern als Stützpunkten”'42 gegeben
haben. “Damals wurde offenbar die Versorgung mit Lebensmitteln an bestimmten Raststellen von der Obrigkeit
organisiert”, und “Campsite” könne ein solches Lager gewesen sein.

533 Hierzu oben S. 104; vgl. auch, daß heute noch die Theravädin farbige Kreise für die Kasina-Tradition verwenden.
534 Hierzu oben S. 100.
535 Hierzu auch JETTMAR 1997: 63.
536 Hierzu oben S. 100.
537 Jettmar 1997: 63.
538 STEIN 1944: 18.
539 Vgl. KÖNIG 1997a: 99.
540 Vgl. Skoda 1987: 70f.
541 Auf der britischen Quarter-Inch-Karte von 1923 (Kashmir and Jammu N.W. Frontier Province, No 43 I, 1 inch to 4 miles).
542 Jettmar 1994: 166.
 
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