Allgemeine Einleitung
Das Werk, dessen erster Band hier vorliegt, wird der erste umfassende wissen-
schaftliche Basiskommentar zu den von Nietzsche autorisierten und publizier-
ten Werken sein. Sein Anspruch ist es, gleichermaßen die historischen und
literarischen wie die philosophischen Voraussetzungen und Kontexte von
Nietzsches Schriften zu erschließen.
Interdisziplinarität ist von Nietzsches Werken selbst gefordert. Es bedarf
kaum des Hinweises, wie intensiv der Altphilologe Nietzsche auf antike Litera-
tur und Philosophie rekurriert; wie sehr die Bibel bis hin zum Sprachgestus
auf den protestantischen Pfarrerssohn wirkte; welch tiefe Spuren die deutsche
Literatur und Philosophie von der klassisch-romantischen Epoche bis ins späte
19. Jahrhundert hinterließ. Die französische Moralistik regte den Aphoristiker
Nietzsche an; die französische Aufklärung inspirierte die für seinen Denkhabi-
tus maßgebende Konzeption des „freien Geistes“; in seiner decadence-Dia-
gnose orientierte er sich an den Exponenten des damals „modernen“ französi-
schen Kulturlebens. Die von der Französischen Revolution bis zum Pariser
Kommune-Aufstand sich fortsetzenden Erschütterungen, die restaurativen
Gegenbewegungen sowie die demokratischen und sozialen Reformbestrebun-
gen forderten ihn nachhaltig heraus. Positivismus, Utilitarismus und Historis-
mus des 19. Jahrhunderts waren für ihn nicht weniger Meilensteine der geisti-
gen Auseinandersetzung als Schopenhauer, Wagner und Darwin. Doch suchte
Nietzsche auch den denkerischen Anschluss an die Naturwissenschaft, Medi-
zin und Psychologie seiner Zeit, mit deren Hilfe er philosophische Vorstellun-
gen zu begründen und abzusichern hoffte; die Beschäftigung mit Religionswis-
senschaft und Ethnologie half ihm schließlich, sich von den unhinterfragten
Selbstverständlichkeiten des abendländischen Wertekanons zu distanzieren.
Ähnlich vieldimensional ist die Wirkungsgeschichte Nietzsches. Es genügt,
an Thomas Mann, Hugo von Hofmannsthal, Robert Musil, Gottfried Benn, Sig-
mund Freud und Martin Heidegger sowie an die Wirkung Nietzsches im franzö-
sischen Geistesleben von Andre Gide bis zu Jacques Derrida zu erinnern, ferner
an die ideologische und politische Sprengkraft, die der weltanschaulich verein-
nahmte Nietzsche im 20. Jahrhundert erhielt; endlich an seine Schlüsselstel-
lung für die moderne Kulturkritik.
Die von Giorgio Colli und Mazzino Montinari begründete Nietzsche-Edition
ist in ihrer ursprünglich geplanten Gestalt fast abgeschlossen. Werke (KGW)
und Briefe (KGB) liegen in über 50 Bänden vor. Die Neuherausgabe des Nach-
lasses von 1885 an „in differenzierter Transkription“, wie sie seit 2001 in der
Abteilung IX der Werkausgabe unternommen wird, setzt der Nietzsche-Philolo-
gie neue Maßstäbe. KGW und KGB sowie die Kritische Studienausgabe (KSA)
Das Werk, dessen erster Band hier vorliegt, wird der erste umfassende wissen-
schaftliche Basiskommentar zu den von Nietzsche autorisierten und publizier-
ten Werken sein. Sein Anspruch ist es, gleichermaßen die historischen und
literarischen wie die philosophischen Voraussetzungen und Kontexte von
Nietzsches Schriften zu erschließen.
Interdisziplinarität ist von Nietzsches Werken selbst gefordert. Es bedarf
kaum des Hinweises, wie intensiv der Altphilologe Nietzsche auf antike Litera-
tur und Philosophie rekurriert; wie sehr die Bibel bis hin zum Sprachgestus
auf den protestantischen Pfarrerssohn wirkte; welch tiefe Spuren die deutsche
Literatur und Philosophie von der klassisch-romantischen Epoche bis ins späte
19. Jahrhundert hinterließ. Die französische Moralistik regte den Aphoristiker
Nietzsche an; die französische Aufklärung inspirierte die für seinen Denkhabi-
tus maßgebende Konzeption des „freien Geistes“; in seiner decadence-Dia-
gnose orientierte er sich an den Exponenten des damals „modernen“ französi-
schen Kulturlebens. Die von der Französischen Revolution bis zum Pariser
Kommune-Aufstand sich fortsetzenden Erschütterungen, die restaurativen
Gegenbewegungen sowie die demokratischen und sozialen Reformbestrebun-
gen forderten ihn nachhaltig heraus. Positivismus, Utilitarismus und Historis-
mus des 19. Jahrhunderts waren für ihn nicht weniger Meilensteine der geisti-
gen Auseinandersetzung als Schopenhauer, Wagner und Darwin. Doch suchte
Nietzsche auch den denkerischen Anschluss an die Naturwissenschaft, Medi-
zin und Psychologie seiner Zeit, mit deren Hilfe er philosophische Vorstellun-
gen zu begründen und abzusichern hoffte; die Beschäftigung mit Religionswis-
senschaft und Ethnologie half ihm schließlich, sich von den unhinterfragten
Selbstverständlichkeiten des abendländischen Wertekanons zu distanzieren.
Ähnlich vieldimensional ist die Wirkungsgeschichte Nietzsches. Es genügt,
an Thomas Mann, Hugo von Hofmannsthal, Robert Musil, Gottfried Benn, Sig-
mund Freud und Martin Heidegger sowie an die Wirkung Nietzsches im franzö-
sischen Geistesleben von Andre Gide bis zu Jacques Derrida zu erinnern, ferner
an die ideologische und politische Sprengkraft, die der weltanschaulich verein-
nahmte Nietzsche im 20. Jahrhundert erhielt; endlich an seine Schlüsselstel-
lung für die moderne Kulturkritik.
Die von Giorgio Colli und Mazzino Montinari begründete Nietzsche-Edition
ist in ihrer ursprünglich geplanten Gestalt fast abgeschlossen. Werke (KGW)
und Briefe (KGB) liegen in über 50 Bänden vor. Die Neuherausgabe des Nach-
lasses von 1885 an „in differenzierter Transkription“, wie sie seit 2001 in der
Abteilung IX der Werkausgabe unternommen wird, setzt der Nietzsche-Philolo-
gie neue Maßstäbe. KGW und KGB sowie die Kritische Studienausgabe (KSA)