42 Die Geburt der Tragödie
Fixierungen im Hinblick auf eine erhoffte „Zukunft“ (hierzu Genaueres in den
Einzelkommentaren).
Mit Wagner wußte sich N. insofern in Übereinstimmung, als dieser Scho-
penhauers Musikästhetik, d. h. die Anschauung vom metaphysischen Vorrang
und vom apriorischen Charakter der Musik übernahm. Im Unterschied zu
Schopenhauer allerdings hatte Wagner, wenn auch mit divergenten Thesen,
die Verbindung des „Wortes“ und damit des Dramas in einen genetischen
Zusammenhang mit der Musik zu bringen versucht, schon in seiner 1851
erschienenen Schrift Oper und Drama und dann besonders in seinem Beetho-
ven, der 1870 erschienenen Festschrift zu Beethovens hundertstem Geburtstag.
Daran schloß sich N. an, indem er die Tragödie als „Entladung“ der (dionysi-
schen) Musik in (apollinische) Vorstellungen interpretierte: als „Geburt der Tra-
gödie aus dem Geiste der Musik“. Auch in dem aus diesem „Geiste der Musik“
hergeleiteten und gegen ein rationales Daseinsverständnis gerichteten Kult des
„Gefühls“ folgt N. Wagner. Die Hauptbedeutung Wagners für N.s Schrift lag
darin, daß er in Wagners „Musikdrama“ die „Wiedergeburt der Tragödie“ in
seiner Zeit erkennen wollte und an diese Wiedergeburt Hoffnungen auf eine
Erneuerung der „Kultur“ überhaupt knüpfte. Er zog viele von Wagners theoreti-
schen Schriften heran, am intensivsten die Hauptschrift Oper und Drama.
Das in der Wirkungsgeschichte bei weitem dominierende Gegensatzpaar
„dionysisch - apollinisch“, das N. mit Schopenhauers Opposition von „Wille“
und „Vorstellung“ korrelierte, hatte allerdings ganz andere Quellen, die er
nicht nennt. Er kannte die Verbindung des Apollonkults mit dem Dionysoskult
in Delphi aus mehreren antiken Texten, vor allem aus Plutarchs Schrift Über
das E in Delphi und aus der Beschreibung Griechenlands des Pausanias (vgl.
den Kommentar zu 25, 4-6). Er studierte die davon ausgehenden Darstellungen
des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt die schon von Plutarch thematisierten Aus-
wirkungen in einer „dionysischen“ Musik, deren Hauptmerkmal eine berau-
schende ,Auletik‘ (Aulös = „Flöte“) war, und in einer „apollinischen“ Musik,
der die klar-gesetzmäßige ,Kitharodik‘ entsprach (Kithara = Leier, Attribut des
Apollon). Auch die von der polaren Konstellation Dionysos - Apollon abgelei-
tete begriffliche Ausformung „dionysisch - apollinisch“ war schon in einer
Reihe von Werken vorgegeben. N.s eigentliche, von ihm zwar nicht genannte,
aber als Lektüren während der Arbeit an GT nachweisbare Quellen für die
Begriffe ,dionysisch4 und ,apollinisch4 sind: das von ihm mehrmals aus der
Universitätsbibliothek Basel ausgeliehene Standardwerk von Ludwig Preller:
Griechische Mythologie (2 Bde, 1854), das ebenfalls mehrmals herangezogene
Werk von Friedrich Gottlieb Weicker: Griechische Götterlehre (2 Bde, 1857 u.
1860) und vor allem das von ihm während der Entstehung der Tragödienschrift
aus der Universitätsbibliothek Basel entliehene Werk von Julius Leopold Klein:
Fixierungen im Hinblick auf eine erhoffte „Zukunft“ (hierzu Genaueres in den
Einzelkommentaren).
Mit Wagner wußte sich N. insofern in Übereinstimmung, als dieser Scho-
penhauers Musikästhetik, d. h. die Anschauung vom metaphysischen Vorrang
und vom apriorischen Charakter der Musik übernahm. Im Unterschied zu
Schopenhauer allerdings hatte Wagner, wenn auch mit divergenten Thesen,
die Verbindung des „Wortes“ und damit des Dramas in einen genetischen
Zusammenhang mit der Musik zu bringen versucht, schon in seiner 1851
erschienenen Schrift Oper und Drama und dann besonders in seinem Beetho-
ven, der 1870 erschienenen Festschrift zu Beethovens hundertstem Geburtstag.
Daran schloß sich N. an, indem er die Tragödie als „Entladung“ der (dionysi-
schen) Musik in (apollinische) Vorstellungen interpretierte: als „Geburt der Tra-
gödie aus dem Geiste der Musik“. Auch in dem aus diesem „Geiste der Musik“
hergeleiteten und gegen ein rationales Daseinsverständnis gerichteten Kult des
„Gefühls“ folgt N. Wagner. Die Hauptbedeutung Wagners für N.s Schrift lag
darin, daß er in Wagners „Musikdrama“ die „Wiedergeburt der Tragödie“ in
seiner Zeit erkennen wollte und an diese Wiedergeburt Hoffnungen auf eine
Erneuerung der „Kultur“ überhaupt knüpfte. Er zog viele von Wagners theoreti-
schen Schriften heran, am intensivsten die Hauptschrift Oper und Drama.
Das in der Wirkungsgeschichte bei weitem dominierende Gegensatzpaar
„dionysisch - apollinisch“, das N. mit Schopenhauers Opposition von „Wille“
und „Vorstellung“ korrelierte, hatte allerdings ganz andere Quellen, die er
nicht nennt. Er kannte die Verbindung des Apollonkults mit dem Dionysoskult
in Delphi aus mehreren antiken Texten, vor allem aus Plutarchs Schrift Über
das E in Delphi und aus der Beschreibung Griechenlands des Pausanias (vgl.
den Kommentar zu 25, 4-6). Er studierte die davon ausgehenden Darstellungen
des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt die schon von Plutarch thematisierten Aus-
wirkungen in einer „dionysischen“ Musik, deren Hauptmerkmal eine berau-
schende ,Auletik‘ (Aulös = „Flöte“) war, und in einer „apollinischen“ Musik,
der die klar-gesetzmäßige ,Kitharodik‘ entsprach (Kithara = Leier, Attribut des
Apollon). Auch die von der polaren Konstellation Dionysos - Apollon abgelei-
tete begriffliche Ausformung „dionysisch - apollinisch“ war schon in einer
Reihe von Werken vorgegeben. N.s eigentliche, von ihm zwar nicht genannte,
aber als Lektüren während der Arbeit an GT nachweisbare Quellen für die
Begriffe ,dionysisch4 und ,apollinisch4 sind: das von ihm mehrmals aus der
Universitätsbibliothek Basel ausgeliehene Standardwerk von Ludwig Preller:
Griechische Mythologie (2 Bde, 1854), das ebenfalls mehrmals herangezogene
Werk von Friedrich Gottlieb Weicker: Griechische Götterlehre (2 Bde, 1857 u.
1860) und vor allem das von ihm während der Entstehung der Tragödienschrift
aus der Universitätsbibliothek Basel entliehene Werk von Julius Leopold Klein: