Überblickskommentar: Quellen 47
Die häufige Berufung auf Goethes Faust hat Bedeutung für die Legitima-
tion der in GT propagierten Absage an die Sphäre des Wissens und der Wissen-
schaft („Habe nun ach ...“), gehört aber auch zu den zahlreichen indirekten
Echo-Wirkungen, die N. im Hinblick auf Wagner inszeniert. Faust war für Wag-
ner ein Leittext sowohl in seinen theoretischen Schriften wie in mehreren Kom-
positionen. Er plante eine „Faust-Symphonie“, von der er allerdings nur den
ersten Satz abschloss (1839/40). In einer Neufassung (1855) gab er diesem Satz
den Titel Eine Faust-Ouvertüre. Den Faust stellte er als das von ihm am meisten
bewunderte literarische Werk an die Seite von Beethovens Neunter Symphonie.
Zu der von ihm selbst in Dresden dirigierten Aufführung der Neunten Sympho-
nie verfaßte er 1846 ein Programm, in dem er ihren musikalischen Duktus
fortlaufend durch Faust-Zitate kommentierte. Als das „einzige wahrhafte deut-
sche Originalstück von allerhöchstem dichterischem Werte“ bezeichnete er in
der Abhandlung Über Schauspieler und Sänger (1872) Goethes Faust. „Der Faust
sollte eigentlich die Bibel sein, ein jeder sollte jeden Vers daraus auswendig
wissen“, bemerkte er 1873 einem Tagebuch-Eintrag Cosimas zufolge (CT I, 658).
Nachdrücklich brachte Wagner auch seine Bewunderung für den Faust II zum
Ausdruck, den N. in GT gerne zitiert.
Von den zahlreichen gelehrten Darstellungen, die N. benutzte, favorisierte
er Karl Otfried Müller: Geschichte der griechischen Literatur bis auf das Zeitalter
Alexanders (2 Bde, Breslau 1841) und das große zweibändige Werk von Gott-
fried Bernhardy: Grundriss der Griechischen Litteratur (zuerst Halle 1835 u.
1845; weitere bearbeitete Auflagen) sowie das schon genannte Werk von Julius
Leopold Klein: Geschichte des Drama’s. Bd. 1: Geschichte des griechischen und
römischen Drama’s. Außerdem benutzte er eine ganze Anzahl speziellerer
Abhandlungen. Unter diesen kommt der Abhandlung von Paul Graf Yorck von
Wartenburg: Die Katharsis des Aristoteles und der Oedipus Coloneus des
Sophokles (Berlin 1866) besondere Bedeutung zu. Sie bot anschließend an eine
von N. ebenfalls herangezogene wegweisende Abhandlung von Jacob Bernays
(Grundzüge der verlorenen Abhandlung des Aristoteles über Wirkung der Tragö-
die, Breslau 1857) ein „pathologisches“ Verständnis statt der gängigen morali-
schen oder bloß auf Gefühlsregulierung zielenden Interpretation der Katharsis;
davon ausgehend entwickelte Yorck von Wartenburg, der später durch einen
bedeutenden Briefwechsel mit Dilthey (und dessen Reflexe in Heideggers Sein
und Zeit) bekannt wurde, eine Theorie, die als dionysisches Grundmuster der
griechischen Tragödie eine kathartisch wirkende ekstatische Erregung statuiert
und diese besonders aus dem Erlebnis einer dionysischen (Tragödien-) „Musik“
herleitet. Die Darstellungen von Karl Otfried Müller und Gottfried Bernhardy
galten damals in der Fachwelt als die maßgebenden Werke zur griechischen
Literaturgeschichte.
Die häufige Berufung auf Goethes Faust hat Bedeutung für die Legitima-
tion der in GT propagierten Absage an die Sphäre des Wissens und der Wissen-
schaft („Habe nun ach ...“), gehört aber auch zu den zahlreichen indirekten
Echo-Wirkungen, die N. im Hinblick auf Wagner inszeniert. Faust war für Wag-
ner ein Leittext sowohl in seinen theoretischen Schriften wie in mehreren Kom-
positionen. Er plante eine „Faust-Symphonie“, von der er allerdings nur den
ersten Satz abschloss (1839/40). In einer Neufassung (1855) gab er diesem Satz
den Titel Eine Faust-Ouvertüre. Den Faust stellte er als das von ihm am meisten
bewunderte literarische Werk an die Seite von Beethovens Neunter Symphonie.
Zu der von ihm selbst in Dresden dirigierten Aufführung der Neunten Sympho-
nie verfaßte er 1846 ein Programm, in dem er ihren musikalischen Duktus
fortlaufend durch Faust-Zitate kommentierte. Als das „einzige wahrhafte deut-
sche Originalstück von allerhöchstem dichterischem Werte“ bezeichnete er in
der Abhandlung Über Schauspieler und Sänger (1872) Goethes Faust. „Der Faust
sollte eigentlich die Bibel sein, ein jeder sollte jeden Vers daraus auswendig
wissen“, bemerkte er 1873 einem Tagebuch-Eintrag Cosimas zufolge (CT I, 658).
Nachdrücklich brachte Wagner auch seine Bewunderung für den Faust II zum
Ausdruck, den N. in GT gerne zitiert.
Von den zahlreichen gelehrten Darstellungen, die N. benutzte, favorisierte
er Karl Otfried Müller: Geschichte der griechischen Literatur bis auf das Zeitalter
Alexanders (2 Bde, Breslau 1841) und das große zweibändige Werk von Gott-
fried Bernhardy: Grundriss der Griechischen Litteratur (zuerst Halle 1835 u.
1845; weitere bearbeitete Auflagen) sowie das schon genannte Werk von Julius
Leopold Klein: Geschichte des Drama’s. Bd. 1: Geschichte des griechischen und
römischen Drama’s. Außerdem benutzte er eine ganze Anzahl speziellerer
Abhandlungen. Unter diesen kommt der Abhandlung von Paul Graf Yorck von
Wartenburg: Die Katharsis des Aristoteles und der Oedipus Coloneus des
Sophokles (Berlin 1866) besondere Bedeutung zu. Sie bot anschließend an eine
von N. ebenfalls herangezogene wegweisende Abhandlung von Jacob Bernays
(Grundzüge der verlorenen Abhandlung des Aristoteles über Wirkung der Tragö-
die, Breslau 1857) ein „pathologisches“ Verständnis statt der gängigen morali-
schen oder bloß auf Gefühlsregulierung zielenden Interpretation der Katharsis;
davon ausgehend entwickelte Yorck von Wartenburg, der später durch einen
bedeutenden Briefwechsel mit Dilthey (und dessen Reflexe in Heideggers Sein
und Zeit) bekannt wurde, eine Theorie, die als dionysisches Grundmuster der
griechischen Tragödie eine kathartisch wirkende ekstatische Erregung statuiert
und diese besonders aus dem Erlebnis einer dionysischen (Tragödien-) „Musik“
herleitet. Die Darstellungen von Karl Otfried Müller und Gottfried Bernhardy
galten damals in der Fachwelt als die maßgebenden Werke zur griechischen
Literaturgeschichte.