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86 Die Geburt der Tragödie

In GT 9 (67-69) erhebt N. den Prometheus des Aischylos zusammen mit der
rebellischen Prometheus-Hymne des jungen Goethe zum Exempel eines tragi-
schen Mythos, der schon auf Wagners Götterdämmerung (68, 7) vorausweist.
23, 19 Ihre herrliche Festschrift über Beethoven] Sie erschien 1870 zum hun-
dertjährigen Geburtstag Beethovens. Im Mittelpunkt der musiktheoretischen
Ausführungen stand Beethovens 9. Symphonie. An Carl von Gersdorff schrieb
N. am 7. November 1870: ,,W(agner} hat mir vor ein paar Tagen ein wundervol-
les Manuscript zugeschickt ,Beethoven4 betitelt. Hier haben wir eine überaus
tiefe Philosophie der Musik im strengen Anschluß an Schopenhauer. Diese
Abhandlung erscheint zu Ehren Beethovens - als die höchste Ehre, die ihm
die Nation erweisen kann“ (KSB 3, Nr. 107, S. 154). Am 30. Dezember 1870
schrieb N. an Mutter und Schwester: „Zu Weihnachten bekam ich [von Wagner]
ein prachtvolles Exemplar des ,Beethoven4“ (KSB 3, Nr. 116, S. 172, Z. 22 f.).
24, 4-11 mit welchem ernsthaft deutschen Problem wir zu thun haben [...] ein
aesthetisches Problem so ernst genommen zu sehn [...] zum „Ernst des Daseins“]
N. gibt hier ein Echo auf Wagners Vorliebe, den „Ernst“ seiner Kunst und sei-
nes Kunstideals zu betonen. So heißt es in Wagners Abhandlung Staat und
Religion, die er 1864 für König Ludwig II. verfaßte und von der sich N. tief
beeindruckt zeigte (N. an Gersdorff, 4.8.1869, KSB 3, Nr. 19, S. 36, Z. 27-30):
„wenn ich ihn vor Allem darauf aufmerksam mache, wie ernst ich es eben mit
der Kunst meinte; denn in diesem Ernste liegt gerade der Grund, der mich
einst nöthigte, mich auf scheinbar so weit abliegende Gebiete, wie Staat und
Religion, zu begeben. Was ich da suchte, war wirklich immer nur meine
Kunst, - diese Kunst, die ich so ernst erfaßte [...] ich mußte mir die Tendenz
des Staates deutlich zu machen suchen, um aus ihr die Geringschätzung zu
erklären, welche ich überall im öffentlichen Leben für mein ernstes Kunstideal
antraf“ (GSD VIII, 3 f.). In seinen Briefen hebt N. Wagners „Lebensernst“ her-
vor, meistens zusammen mit seiner „Idealität“. So schreibt er an Carl von Gers-
dorff am 4.8.1869: „In ihm herrscht eine so unbedingte Idealität, eine solche
tiefe und rührende Menschlichkeit, ein solcher erhabner Lebensernst, daß ich
mich in seiner Nähe wie in der Nähe des Göttlichen fühle“.
24, 5 f. in die Mitte deutscher Hoffnungen] Damit deutet N. auf die bevorste-
hende Gründung der Bayreuther Festspiele hin, auf die er „Hoffnungen“ setzte,
weil er glaubte, damit komme es zu einer großen Wende: zur kulturellen
Erneuerung Deutschlands. „Hoffnung“ und „Glauben“ sind Grundmotive derje-
nigen Partien der Tragödienschrift, die sich auf die „Wiedergeburt der Tragö-
die“ durch Wagner richten. Vgl. 131, 15-17 und den Kommentar hierzu.
24,14-16 dass ich von der Kunst als [...] der eigentlich metaphysischen Thätig-
keit dieses Lebens [...] überzeugt bin] N. versteht hier „metaphysisch“ als
 
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