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126 Die Geburt der Tragödie

Doch vermeidet er es, von der Dichtung zu sprechen, da es ihm um die Musik
geht. Als die schlechthin amimetische Kunst bedarf sie der von N. zwischenge-
schalteten Traumsphäre. Da diese auf der unbewußten Verbindung mit dem
„innersten Grunde der Welt“ (31, 5 f.) beruht, den N. nun als „Natur“ bezeich-
net, kommt ihr eine entscheidende Vermittlungsfunktion zu. Wagner hatte in
seiner Beethoven-Festschrift, mit wiederholter Berufung auf Schopenhauer,
geschrieben: „Da das Traumorgan durch äußere Eindrücke, gegen welche das
Gehirn jetzt [im unbewußten Zustand des Träumens] gänzlich verschlossen ist,
nicht zur Thätigkeit angeregt werden kann, so muß dieß durch Vorgänge im
inneren Organismus geschehen, welche unserem wachen Bewußtsein sich nur
als dunkle Gefühle andeuten. Dieses innere Leben ist es nun aber, durch wel-
ches wir der ganzen Natur unmittelbar verwandt, somit des Wesens der Dinge
in einer Weise theilhaftig sind, daß auf unsere Relationen zu ihm die Formen
der äußeren Erkenntniß, Zeit und Raum, keine Anwendung mehr finden kön-
nen“ (GSD IX, 69).
31,15-18 Von den Träumen der Griechen ist trotz aller Traumlitteratur der-
selben und zahlreichen Traumanecdoten nur vermutungsweise, aber doch mit
ziemlicher Sicherheit zu sprechen] Die griechische Literatur enthält, wie andere
Literaturen und wie auch die Bibel, zahlreiche Darstellungen von Träumen. Oft
haben sie vorausweisende oder legitimierende Funktion. Ein gutes Beispiel für
eine Traumanekdote ist diejenige, die Pausanias von der Initiation des Aischy-
los zum Dichter erzählt (vgl. NK 26, 11 f.). Das bekannteste griechische Traum-
buch ist das Oneirokritikön (etwa: ,Analyse der Träume4) des Artemidoros von
Daldis, das N. im August 1871, also noch während der Arbeit an GT, aus der
Basler Universitätsbibliothek entlieh. Zu den großen griechischen Autoren, die
mit psychologischem und philosophischem Interesse über Träume schrieben,
gehören Demokrit und dann vor allem Aristoteles mit seinen Schriften Über
die Seele, Über Träume und Über Traum-Weissagung.
31, 21-24 auch für ihre Träume eine logische Causalität der Linien und
Umrisse, Farben und Gruppen, eine ihren besten Reliefs ähnelnde Folge der Sce-
nen vorauszusetzen] Im Herbst 1869 fertigte N. folgendes Exzerpt aus August
Wilhelm Schlegels Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur an (NL
1869, l[105], KSA 7, 40, 20-41, 5): „Das Basrelief ist gränzenlos, es läßt sich
vor- und rückwärts weiter fortsetzen, weswegen die Alten auch am liebsten
Gegenstände dazu gewählt, die sich ins Unbestimmbare ausdehnen lassen, als
Opferzüge, Tänze, Reihen von Kämpfen usw. Deshalb haben sie auch an run-
den Flächen als an Vasen, am Fries einer Rotunde, Basreliefs angebracht, wo
uns die beiden Enden durch die Krümmung entrückt werden und so, wie wir
uns fortbewegen, eines erscheint und das andre verschwindet. Die Lesung der
 
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