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138 Die Geburt der Tragödie

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vovto, ovketi exovolv ävTioTpöcpovq, npÖTEpov Ö£ e’lxov („Man muß eher die
Melodie nachahmen als die Worte. Deshalb auch haben die Dithyramben,
nachdem sie mimetisch wurden, keine Gegenstrophen mehr, früher hatten sie
solche“). Pausanias (9, 12, 5f.) berichtet von den geradezu akrobatischen Kör-
perbewegungen, mit denen ein berühmter Flötenspieler sein Publikum bei der
Aufführung eines Dithyrambos hinriß. Derartige Dithyramben waren weitge-
hend dramatisiert, als Miniaturdramen sollten sie durch mimetische Elemente
zudem theatralische Expressivität gewinnen. Mehrere Zeugnisse berichten, daß
in einem Dithyrambos mit dem Titel Die Wehen der Semele der Geburtsvorgang
und die Schreie der Semele nachgeahmt wurden (Athenaios 252 b-e; Dio Chry-
sostomos 78, 32). Aristophanes parodierte in seinem Plutos einen derartigen
mimetischen Dithyrambos (V. 290 ff.). Platon kritisiert die mimetischen Ten-
denzen scharf (Politeia 397 a 3-8).
In einem nachgelassenen Notat aus dem Jahr 1871 bezieht N. das durch
Schopenhauers Konstellation von „Wille“ und „Vorstellung“ bestimmte Ver-
hältnis von „Musik“ und „Bild“ (Mimus) auf Wagner: „Die Musik in der Wag-
nerschen Oper bringt die Poesie in eine neue Stellung. Es kommt vielmehr auf
das Bild an, das sich immer verändernde belebte Bild, dem das Wort dient.
Dem Worte nach sind die Scenen nur skizzirt. / Die Musik drängt die bildli-
che Seite der Poesie heraus. Der Mimus. Andernseits zieht sich der
Gedanke zurück: wodurch es kommt, daß wir mythisch empfinden, d. h.
wir sehen eine Illustration der Welt“ (NL 1871, KSA 7, 9[79], 303, 5-12).
3. Kapitel
Die Darstellung des „Apollinischen“ in diesem Kapitel steht unter dem Präroga-
tiv, das im letzten Satz des vorausgehenden Kapitels formuliert wurde: daß
bei den Griechen das apollinische „Bewußtsein“ nur „wie ein Schleier diese
dionysische Welt“ verdecke. Damit wendet N. das Grundverhältnis von Scho-
penhauers „Wille und Vorstellung“ auf die griechische Kultur an. Zugleich zeigt
die Rede vom „Bewußtsein“, daß das Verhältnis von Apollinischem und Diony-
sischem auch demjenigen von Bewußtsein und Unbewußtem (als dem Eigentli-
chen) entspricht. Das „Unbewußte“ ist ein wichtiges Thema in Wagners Schrif-
ten. Es gehe um die „Anerkennung des Unbewußten“, schreibt er in der
Abhandlung Das Kunstwerk der Zukunft (GSD III, 45). Im Sommer 1870 hatte
N. intensiv Eduard von Hartmanns Philosophie des Unbewußten. Versuch einer
Weltanschauung (Berlin 1869) studiert, wie seine Notizen und Exzerpte zu die-
sem Werk zeigen. Vgl. besonders Abschnitt B III: „Das Unbewußte der
 
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