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156 Die Geburt der Tragödie

42, 28-30 den leidenschaftlichen Kopf des wild durch’s Dasein getriebenen
kriegerischen Musendieners Archilochus] Nähere Ausführungen und Belege in
N.s Aufzeichnungen zu seiner Vorlesung über die griechischen Lyriker (KGW II
2, 114). In GT paraphrasiert er ein Fragment des Archilochos und versucht aus
dem Schlußvers dieses Fragments wörtlich die Wendung „wild durch’s Dasein
getrieben“ aufgrund einer eigenen Konjektur zu übernehmen; vgl. KGW II 2,
125. Als „kriegerischen Musendiener“ bezeichnet N. den Archilochos im
Anschluß an dessen Selbstcharakterisierung in Frg. 1 D:
Eipii ö’ Eytü ÖEpötntüv pcv ’EvuaAioio avaKToq
Kai Movctecüv cpaTÖv öwpov EmoTÖtpEvoq
Ich aber bin Diener des Enyalios, des Herrschers [ein Zuname des Kriegsgotts Ares], / und
verstehe mich auf die liebenswürdige Gabe der Musen.
In seinen Aufzeichnungen zur Vorlesung über die griechischen Lyriker reflek-
tiert N. die Paradoxie, daß Archilochos sich zugleich als Krieger und als
Gefolgsmann der Musen darstellt, und nennt zusätzliche Quellen: „Paradoxer
Ruhm des Archil. Suidas s. v. u. Chrysost. or 33 p379“ (KGW II 2, 178).
42, 30-32 die neuere Aesthetik wusste nur deutend hinzuzufügen, dass hier
dem „objectiven“ Künstler der erste „subjective“ entgegen gestellt sei.] Der
Gegensatz von „subjektivem“ = lyrischem und „objektivem“ = epischem Dichter
wurde in der ästhetischen Theorie immer wieder statuiert, besonders von
August Wilhelm Schlegel in seiner Vorlesung Geschichte der klassischen Litera-
tur (1802/3) und von Hegel in seinen Vorlesungen über die Ästhetik. A. W. Schle-
gel schreibt: „Wir können sie [die „lyrische Poesie der Alten“] am besten als
den durchgängigen Gegensatz der epischen begreifen. Dies ist die universellste
Gattung, jenes die speziellste; dieses die am meisten sich verbreitende und
auseinander fließende, jenes die in sich selbst konzentrierteste; dieses ist ganz
äußerlich, jenes ganz innerlich; dieses rein objektiv, jenes durchaus [d. h. in
der alten Wortbedeutung: gänzlich] subjektiv. Im Epos offenbart sich durch das
Medium der Darstellung äußerer Gegenstände ein besonnener ruhig beschau-
ender Geist; im lyrischen Gedicht erscheint die ganze äußere Welt erst durch
das Medium eines bewegten Gemüts, dessen unmittelbare wiewohl idealisti-
sche Darstellung Ausdruck heißt“ (August Wilhelm Schlegel: Kritische Schriften
und Briefe, hg. von Edgar Löhner, Stuttgart 1962 ff., Bd. III, 195: Geschichte der
klassischen Literatur).
Ähnlich schematisiert Hegel in seinen Vorlesungen über die Ästhetik das
Verhältnis von „objektivem“ Epos und „subjektiver“ Lyrik. Über das Epos
schreibt er (G. W. F. Hegel: Werke in zwanzig Bänden, Bd. 15: Vorlesungen über
die Ästhetik III. Theorie Werkausgabe, S. 340): „Die Verhältnisse objektiver Sitt-
 
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