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Stellenkommentar GT 8, KSA 1, S. 63 195

keine Satyrdramen: was hatte Adrast mit Satyrn zu thun? Es waren eben Myste-
rien [...]. Wichtig ist der Anstoß, den die Mysterien gegeben haben müssen. Die
heilige Aktion mit Theatereffekten im geschlossenen Raume“ (NL 1869, KSA 7,
1[67], 30, 21-31, 6). Vgl. dagegen die ganz andere Vorgeschichte der Tragödie
in der Poetik des Aristoteles (Kap. 4) und hierzu NK 55, 12-21.
63, 28 f. den unförmlich maskirten Menschen] Chor und Schauspieler des grie-
chischen Theaters trugen Masken. Diese Theatermasken entwickelten sich aus
dem Kult des Dionysos, der als Maskengott verschiedene Funktionen hatte; auf
griechischen Vasen sind solche Dionysosmasken noch heute zu sehen. Die
erste tragische Maske soll von Thespis 544 v. Chr. erfunden worden sein, als
eigentlicher Schöpfer der tragischen Masken gilt jedoch Aischylos. Diese aus
stuckiertem Leinen bestehenden Masken waren so groß, daß sie über den gan-
zen Kopf gestülpt werden konnten und daher etwas „unförmlich“ erschienen.
In Karl Otfried Müllers Geschichte der griechischen Literatur (Bd. 2, Kapitel 22:
Ueber die Einrichtung der alten Tragödie, S. 42 f.) konnte N. lesen, die Figur
des tragischen Schauspielers sei „durch die sehr hohen Sohlen der tragischen
Schuhe oder Kothurne, so wie auf der andern Seite durch die Verlängerung
der tragischen Maske, welche Onkos hieß, um ein nicht unbedeutendes Stück
über das gewöhnliche Menschenmaß hinausgezogen“ gewesen. In einer der
Vorarbeiten zur Tragödienschrift, in dem Basler Vortrag Das griechische Musik-
drama geht N. genauer auf die Masken und ihre Funktion ein: „alle Blicke
hingerichtet auf eine in der Tiefe wunderbar sich bewegende maskirte Männer-
schaar und ein paar übermenschlich große Puppen, die auf einem langen
schmalen Bühnenraume im langsamsten Zeitmaße auf und niederschreiten.
Denn wie anders als Puppen müssen wir jene Wesen nennen, die auf den
hohen Stelzen der Kothurne stehend, mit riesenmäßigen den Kopf überragen-
den stark bemalten Masken vor dem Gesicht, an Brust und Leib, Armen und
Beinen bis in das Unnatürliche ausgepolstert und ausgestopft, sich kaum
bewegen können, niedergedrückt von der Last eines tief herabfallenden
Schleppgewandes und eines mächtigen Kopfputzes. Dabei haben diese Gestal-
ten durch die weit geöffneten Mundlöcher im stärksten Tone zu reden und zu
singen, um sich einer Zuschauermasse von mehr als 20 000 Menschen ver-
ständlich zu machen: fürwahr, eine Heldenaufgabe, die eines marathonischen
Kämpfers würdig ist. Noch größer aber wird unsre Bewunderung, wenn wir
vernehmen, daß der Einzelne von diesen Schauspieler-Sängern in lOstündiger
Anspannung gegen 1600 Verse von sich zu geben hat, darunter wenigstens
sechs größere und kleinere Gesangsstücke. Und dies vor einem Publikum, das
jedes Übermaß im Ton, jeden unrichtigen Accent unerbittlich ahndete, in
Athen wo nach Lessings Ausdruck selbst der Pöbel ein feines und zärtliches
Urtheil hatte. Welche Koncentration und Übung der Kräfte, welche langwierige
 
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