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212 Die Geburt der Tragödie

lieh bloß scheinhafte wieder aufzulösen. N. deutet „den Zustand der Individua-
tion [= Zerstückelung des Dionysos-Zagreus] als den Quell und Urgrund alles
Leidens“ (72, 19, 8-20).
N. kannte die zerstreuten Zeugnisse des Zagreus-Mythos und seiner allego-
rischen Ausdeutung durch die Neuplatoniker aus mehreren Darstellungen des
19. Jahrhunderts, die er nachweislich benutzte, so aus Georg Friedrich Creuzers
Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen, Bd. IV,
S. 116 ff. (für seine eigene Bibliothek erwarb N. Creuzers Werk erst 1884, vgl.
Campioni: Nietzsches persönliche Bibliothek, aber den 3. Band mit dem Schwer-
punkt auf Dionysos entlieh er schon im Juni 1871 aus der Basler Universitäts-
bibliothek), aus Karl Otfried Müllers Prolegomena, S. 390 ff. und dessen
Geschichte der griechischen Literatur, Bd. 1 Kap. 16, S. 418 f. und S. 426-430
(er entlieh sie im Januar und April aus der Basler Universitätsbibliothek); aus
Christian August Lobecks Aglaophamus (Königsberg 1829; im November 1869
entlieh er dieses Werk aus der Basler Universitätsbibliothek), aus Friedrich
Gottlieb Weickers Griechischer Götterlehre (Göttingen 1857 und 1860) Bd. 1,
S. 443 f., Bd. 2, S. 629-643 ff. (im April 1871 aus der Basler Universitätsbiblio-
thek entliehen), aus Ludwig Prellers Standardwerk Griechische Mythologie, Ber-
lin 1854 (Bd. I 21860, Bd. II 21861), das er im November 1869 und im Oktober
1870 aus der Basler Universitätsbibliothek entlieh, schließlich aus Julius Leo-
pold Kleins Geschichte des Drama’s (Leipzig 1865), die er am 22.4.1871 ebenfalls
aus der Universitätsbibliothek Basel entlieh. - Eine moderne Sammlung aller
Zeugnisse zum Zagreus-Mythos bietet W. Fauth, Artikel Zagreus, in: RE IX, A2,
1967, Sp. 2221-2283.
72, 20-22 Aus dem Lächeln dieses Dionysus sind die olympischen Götter, aus
seinen Thränen die Menschen entstanden.] In dem nachgelassenen Notat NL
1870/1871, KSA 7, 7 [123], 177, 24-26, steht die Variante: „Aus dem Lächeln des
Phanes [= Helios] sind die olympischen Götter, aus seinen Thränen die Men-
schen geschaffen“. Die Quelle sind zwei Verse aus einem orphischen Gedicht,
die der wirkungsmächtige Neuplatoniker Proklos (etwa 411-485 n. Chr.) in sei-
nem Kommentar zu Platons Politeia zitiert: öötKpvot pev cteöev eot'i noAvTApTtüv
ysvoq üvöptüv, / pciöriaaq öe Oecüv ispöv ysvoq sßAäcrrrpac;. Im Kontext des
Proklos-Kommentars (1 127, 29) sind sie abgedruckt in: Orphicorum Fragmenta,
collegit Otto Kern, 1922, 3. Aufl. Dublin/Zürich 1972, Nr. 354, S. 341. Die wörtli-
che Übersetzung fand N. in der von ihm oft benutzten Geschichte der griechi-
schen Literatur von Karl Otfried Müller (Bd. 1, Kap. 16: Theologische Poesie,
S. 427), die er im Januar und April 1870 aus der Basler Universitätsbibliothek
entlieh: „Deine Thränen sind das unglückselige Geschlecht der Menschen; /
durch dein Lächeln hast du der Götter heiliges Geschlecht entspriessen las-
 
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