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Stellenkommentar GT 11, KSA 1, S. 77-78 237

Wagners Hoffnung auf „Menschen der Zukunft“, deren idealer Prototyp Sieg-
fried im dritten Teil des Rings des Nibelungen ist, mit besonderem Nachdruck
in der Schlußpartie von UB IV: Richard Wagner in Bayreuth auf (KSA 1, 504-
510).
78, 5-6 Das Wort aus der bekannten Grabschrift „als Greis leichtsinnig und
grillig“] Zitat aus Goethes Epigramm Grabschrift (1815):
Als Knabe verschlossen und trutzig,
Als Jüngling anmaßlich und stutzig,
Als Mann zu Taten willig,
Als Greis leichtsinnig und grillig! -
Auf deinem Grabstein wird man lesen:
Das ist fürwahr ein Mensch gewesen!
(Goethe, FA, Bd. 2: Gedichte 1800-1832, S. 424).
78, 8-10 der fünfte Stand, der des Sclaven, kommt, wenigstens der Gesinnung
nach, jetzt zur Herrschaft] Hier wird die Polemik gegen Euripides und die Nie-
dergangszeit eines „greisen Hellenenthums“ (78, 7) vollends transparent auf
N.s Gegenwartskritik: auf die Kritik am sozialen Fortschritt und an der Propa-
gierung von Menschenrechten seit der Amerikanischen und der Französischen
Revolution. Vgl. hierzu auch NK 117,15-22, insbesondere zum historischen Kon-
text und zur aktuellen Situation, nachdem Lincoln in den USA, wo es 1860
noch vier Millionen schwarze Sklaven gab, 1863 die Sklaverei aufgehoben
hatte. Während man allerdings in der Zeit der Französischen Revolution vom
„dritten Stand“ und im späteren 19. Jahrhundert im Hinblick auf das moderne
Proletariat vom „vierten Stand“ sprach, imaginiert N. noch einen darunter
befindlichen und auf dieser sozialen Stufe von ihm als notwendig deklarierten
„fünften Stand“: denjenigen rechtloser „Sklaven“. In einem elfseitigen nachge-
lassenen Text, der Anfang 1871 entstand und zunächst in GT integriert werden
sollte, befürwortet N. entschieden die Sklaverei (KSA 7, 333-349). In einer ana-
chronistischen Projektion antiker Arbeits- und Produktionsbedingungen auf
das 19. Jahrhundert und unter Berufung auf die Höhe antiker Kultur und „Bil-
dung“, die nur auf der Grundlage des Sklaventums möglich gewesen sei, plä-
diert er grundsätzlich, auch im Hinblick auf seine Zeit, für die Sklaverei. Obers-
ter Zweck der Menschheit sei „die Geburt des Genius“ (KSA 7, 333, 11 f.),
ja „die fortgesetzte Geburt des Genius“ (334, 20 f.) und eben deshalb müsse
auch die Sklaverei fortgesetzt werden. Wie in GT spricht er auch hier von der
„Masse“ und erklärt, es sei naturgemäß, „daß die Triumphzüge der Kultur
nur einer unglaublich geringen Minderheit von bevorzugten Sterblichen zu
Gute kommen, daß dagegen der Sklavendienst der großen Masse eine
 
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