Stellenkommentar GT 11, KSA 1, S. 78 239
Jahre 1840 erhalten hat: Slavery and the internal Slavetrade in the United States of North-
America: being replies to questions transmitted by the British Antislavery-society to the
American Antislavery society. Lond. 1841. 280 S. gr. 8. price 4 sh. in cloth. Dieses Buch
macht eine der schwersten Anklageakten gegen die Menschheit aus. Keiner wird es ohne
Entsetzen, Wenige ohne Thränen aus der Hand legen. Denn was der Leser desselben
jemals vom unglücklichen Zustande der Sklaven, ja, von menschlicher Härte und Grau-
samkeit überhaupt, gehört, oder sich gedacht, oder geträumt haben mag, wird ihm
geringfügig erscheinen, wenn er liest, wie jene Teufel in Menschengestalt, jene bigotten,
kirchengehenden, streng den Sabbath beobachtenden Schurken, namentlich auch die
Anglikanischen Pfaffen unter ihnen, ihre unschuldigen schwarzen Brüder behandeln,
welche durch Unrecht und Gewalt in ihre Teufelsklauen gerathen sind. Dies Buch, wel-
ches aus trockenen, aber authentischen und dokumentirten Berichten besteht, empört
alles Menschengefühl in dem Grade, daß man, mit demselben in der Hand, einen Kreuz-
zug predigen könnte, zur Unterjochung und Züchtigung der sklavenhaltenden Staaten
Nordamerika’s. Denn sie sind ein Schandfleck der ganzen Menschheit.
Auch später noch wendet sich N. gegen die Aufhebung der Sklaverei. In nach-
gelassenen Notizen aus der Zarathustra-Zeit heißt es (NL 1884/1885, KSA 11,
32[20], 417, 17): „Gegen die Aufhebung der Sklaverei“.
78, 11-14 die Heiterkeit des Sclaven, der nichts Schweres zu verantworten,
nichts Grosses zu erstreben, nichts Vergangenes oder Zukünftiges höher zu schät-
zen weiss als das Gegenwärtige.] Der Gattungskonvention zufolge sind hohe
Personen der Tragödie, Personen niedrigen Standes - nur über sie soll man
lachen - der Komödie vorbehalten. N. überträgt die gattungstypische Bühnen-
fiktion auf die soziale Realität der Sklaverei. Diese war jedoch keineswegs „hei-
ter“, sondern mit vollständiger Rechtlosigkeit und oft mit Erniedrigungen und
Elend verbunden. Als Altphilologe wußte er, daß Kriegsgefangene aller Stände
in der Antike in die Sklaverei verkauft und Frauen als Kriegsbeute zudem sexu-
ell versklavt wurden. Überdies kannte er das Elend, das noch im 19. Jahrhun-
dert mit dem Sklavenhandel und der Sklaverei verbunden war. Während Heine
anklagend seine Ballade Das Sklavenschiff schrieb, pries N. noch Jahrzehnte
später die Sklaverei, und dies auf zwei disparaten Argumentationsebenen -
Erstens: das Sklaventum bestehe in unbedeutender „Heiterkeit“, wie es die
Komödie vorexerziert; zweitens: das Sklaventum diene als Bestätigung der
,philosophisch4 beanspruchten Erkenntnis, daß das Dasein „furchtbar“, ja
„entsetzlich“ ist, und hat schon deshalb seine prinzipielle Berechtigung. Letz-
teres ist ein Hauptgesichtspunkt des in NK 78, 8-10 angeführten großen Nach-
lass-Fragments, das ursprünglich in GT integriert werden sollte.
78,14-20 Dieser Schein der „griechischen Heiterkeit“ war es, der die tiefsinni-
gen und furchtbaren Naturen der vier ersten Jahrhunderte des Christenthums so
empörte: ihnen erschien diese weibische Flucht vor dem Ernst und dem Schre-
cken, dieses feige Sichgenügenlassen am bequemen Genuss nicht nur verächtlich,
Jahre 1840 erhalten hat: Slavery and the internal Slavetrade in the United States of North-
America: being replies to questions transmitted by the British Antislavery-society to the
American Antislavery society. Lond. 1841. 280 S. gr. 8. price 4 sh. in cloth. Dieses Buch
macht eine der schwersten Anklageakten gegen die Menschheit aus. Keiner wird es ohne
Entsetzen, Wenige ohne Thränen aus der Hand legen. Denn was der Leser desselben
jemals vom unglücklichen Zustande der Sklaven, ja, von menschlicher Härte und Grau-
samkeit überhaupt, gehört, oder sich gedacht, oder geträumt haben mag, wird ihm
geringfügig erscheinen, wenn er liest, wie jene Teufel in Menschengestalt, jene bigotten,
kirchengehenden, streng den Sabbath beobachtenden Schurken, namentlich auch die
Anglikanischen Pfaffen unter ihnen, ihre unschuldigen schwarzen Brüder behandeln,
welche durch Unrecht und Gewalt in ihre Teufelsklauen gerathen sind. Dies Buch, wel-
ches aus trockenen, aber authentischen und dokumentirten Berichten besteht, empört
alles Menschengefühl in dem Grade, daß man, mit demselben in der Hand, einen Kreuz-
zug predigen könnte, zur Unterjochung und Züchtigung der sklavenhaltenden Staaten
Nordamerika’s. Denn sie sind ein Schandfleck der ganzen Menschheit.
Auch später noch wendet sich N. gegen die Aufhebung der Sklaverei. In nach-
gelassenen Notizen aus der Zarathustra-Zeit heißt es (NL 1884/1885, KSA 11,
32[20], 417, 17): „Gegen die Aufhebung der Sklaverei“.
78, 11-14 die Heiterkeit des Sclaven, der nichts Schweres zu verantworten,
nichts Grosses zu erstreben, nichts Vergangenes oder Zukünftiges höher zu schät-
zen weiss als das Gegenwärtige.] Der Gattungskonvention zufolge sind hohe
Personen der Tragödie, Personen niedrigen Standes - nur über sie soll man
lachen - der Komödie vorbehalten. N. überträgt die gattungstypische Bühnen-
fiktion auf die soziale Realität der Sklaverei. Diese war jedoch keineswegs „hei-
ter“, sondern mit vollständiger Rechtlosigkeit und oft mit Erniedrigungen und
Elend verbunden. Als Altphilologe wußte er, daß Kriegsgefangene aller Stände
in der Antike in die Sklaverei verkauft und Frauen als Kriegsbeute zudem sexu-
ell versklavt wurden. Überdies kannte er das Elend, das noch im 19. Jahrhun-
dert mit dem Sklavenhandel und der Sklaverei verbunden war. Während Heine
anklagend seine Ballade Das Sklavenschiff schrieb, pries N. noch Jahrzehnte
später die Sklaverei, und dies auf zwei disparaten Argumentationsebenen -
Erstens: das Sklaventum bestehe in unbedeutender „Heiterkeit“, wie es die
Komödie vorexerziert; zweitens: das Sklaventum diene als Bestätigung der
,philosophisch4 beanspruchten Erkenntnis, daß das Dasein „furchtbar“, ja
„entsetzlich“ ist, und hat schon deshalb seine prinzipielle Berechtigung. Letz-
teres ist ein Hauptgesichtspunkt des in NK 78, 8-10 angeführten großen Nach-
lass-Fragments, das ursprünglich in GT integriert werden sollte.
78,14-20 Dieser Schein der „griechischen Heiterkeit“ war es, der die tiefsinni-
gen und furchtbaren Naturen der vier ersten Jahrhunderte des Christenthums so
empörte: ihnen erschien diese weibische Flucht vor dem Ernst und dem Schre-
cken, dieses feige Sichgenügenlassen am bequemen Genuss nicht nur verächtlich,