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TJk Die Geburt der Tragödie

Begriffen sind sie eine Sekte: nach ihm eine Klasse, ein Stand. N(ach} d(er}
gewöhnlichen} Ansicht} verbreiten sie demoralisirende Lehren, sophistische
Grundsätze4. Nach G(rote} waren sie die regelmäßigen Sittenlehrer, weder über
noch unter dem Niveau der Zeit. Nach der gewöhnt Ansicht} waren Plato u.
seine Nachfolger die autorisirten Lehrer, die etablirte Clerisei der griech.
Nation - u. die Sophisten die Andersdenkenden. Nach Grote waren die Sophis-
ten der Klerus und Plato die Andersdenkenden [sic] - der Socialist, welcher
die Sophisten angriff (wie er die Dichter u. Staatsmänner angriff), nicht als
eine besondere Sekte, sondern als einen der bestehenden Stände der Gesell-
schaft. Für die ungebildete Masse fiel Sokrates mit den Sophisten zusammen:
die ganz naive Sitte braucht überhaupt keine Lehrer, für diese war der höhere
Lehrer anstößig. Da reichte die Tragödie u. die Komödie aus: das ist der Stand-
punkt des Aristophanes. Er entwirft in Sokrates das Bild des Aufklärers: Züge
der Sophisten u. des Anaxagoras sind auf ihn übertragen“ (KGW II 4, 357 f.).
Zwar läßt N. in GT wenig von dem geschichtlichen Verständnis der Sophistik
erkennen, wie es diese Werke boten, aber er formuliert perspektivisch und mit
bewußter Einschränkung auf Aristophanes, um seine eigene Darstellungsinten-
tion durchzuhalten. In seinem späteren Werk schwenkt er sogar auf Grundposi-
tionen radikaler Sophisten ein, so beruft er sich auf das Recht des Stärkeren,
wie es Kallikles in Platons Gorgias und Thrasymachos in der Politeia vertreten,
die Platon durch den Mund des Sokrates attackiert.
Die Bezeichnung des Aristophanes als eines „lüderlich lügenhaften Alci-
biades der Poesie“ erinnert an die Skrupellosigkeit und das Vabanque-Spiel
des Alkibiades, der zwar glanzvoll auftrat, aber als Politiker großes Unheil
über Athen brachte. Bei A. W. Schlegel (a.a.O. S. 110) konnte N. lesen, daß
viele „den Aristophanes für nichts weiter als einen übertreibenden lästernden
Possenreißer hielten“.
89,1-5 in welchem Sinne namentlich daran zu erinnern ist, dass Sokrates als
Gegner der tragischen Kunst sich des Besuchs der Tragödie enthielt, und nur,
wenn ein neues Stück des Euripides aufgeführt wurde, sich unter den Zuschauern
einstellte.] So Claudius Aelianus’ Poikile historia II, 13, die N. in seiner Biblio-
thek hatte und die er in seinen philologischen Arbeiten gelegentlich heranzog:
Claudius Aelianus, Varia historia. Ex recognitione Rudolphi Hercheri, Lipsiae:
B. G. Teubner 1870 (mit Lesespuren). Auch in zeitgenössischen Werken, so bei
dem für N. wichtigen Julius Leopold Klein, Geschichte des Drama’s (1865), steht
dieser Bericht.

89, 5-9 Am berühmtesten ist aber die nahe Zusammenstellung beider Namen
in dem delphischen Orakelspruche, welcher Sokrates als den Weisesten unter
den Menschen bezeichnet, zugleich aber das Urtheil abgab, dass dem Euripides
 
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