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280 Die Geburt der Tragödie

91, 10-12 das drückt sich in dem würdevollen Ernste aus, mit dem er seine
göttliche Berufung überall und noch vor seinen Richtern geltend machte.] Im
Anschluß an Platon, Die Verteidigung des Sokrates (23b).
91, 13 f. seinen die Instincte auflösenden Einfluss] In der Götzen-Dämmerung
wird es heißen: „Die Instinkte bekämpfen müssen - das ist die Formel für
decadence: so lange das Leben aufsteigt, ist Glück gleich Instinkt“ (KSA 6,
73, 7-10); verschärfend: „Jeder Fehler in jedem Sinne ist die Folge von Instinkt-
Entartung, von Disgregation des Willens: man definirt beinahe damit das
Schlechte. Alles Gute ist Instinkt - und, folglich, leicht, nothwendig, frei“
(KSA 6, 90, 5-8).
91, 17 die Verbannung] Eine in Athen häufig angewandte Methode, Bürger
nicht nur zu bestrafen, sondern auch um ihren Einfluss in der Polis zu bringen.
91, 20-24 Dass aber der Tod und nicht nur die Verbannung über ihn ausgespro-
chen wurde, das scheint Sokrates selbst, mit völliger Klarheit und ohne den
natürlichen Schauder vor dem Tode, durchgesetzt zu haben] Zwar beantragten
die Gegner des Sokrates in ihrer Anklageschrift (vgl. deren Wortlaut im Kom-
mentar zu 88, 14-22) die Todesstrafe, aber nach einem Bericht, den Diogenes
Laertius wiedergibt (2, 41/42), sei dann im Gericht doch zunächst über eine
Geldstrafe und deren Höhe verhandelt worden. Als Sokrates daraufhin die
Richter mit der Erklärung provoziert habe: „In Rücksicht auf meine Verdienste
beantrage ich als rechtliche Entscheidung die Speisung im Prytaneion“, d. h.
eine der höchsten Ehrungen (das Prytaneion war der Regierungssitz), sei er
zum Tode verurteilt worden. N. geht in den Aufzeichnungen zu seiner Vorle-
sung Die vorplatonischen Philosophen (WS 1869/70 u.ö., KGW II 4, 360) auf
dieses ganze Geschehen ausführlich ein und beruft sich auch auf Xenophons
Memorabilien (Erinnerungen an Sokrates) IV 4.
91, 24-29 mit jener Ruhe, mit der er nach Plato’s Schilderung als der letzte der
Zecher im frühen Tagesgrauen das Symposion verlässt, um einen neuen Tag zu
beginnen; indess hinter ihm, auf den Bänken und auf der Erde, die verschlafenen
Tischgenossen Zurückbleiben, um von Sokrates, dem wahrhaften Erotiker, zu
träumen.] Schilderung nach der Schlußpartie von Platons Symposion, 223d. N.s
Zutat: „um von Sokrates, dem wahrhaften Erotiker, zu träumen“. Wenn N.
Sokrates als den „wahrhaften Erotiker“ bezeichnet, so bezieht er sich auf das
Demonstrationsziel des Symposion, das ein bei einem Trinkgelage stattfinden-
des Gespräch über das Wesen des Eros mit ganz unterschiedlichen Meinungen
inszeniert - bis am Ende Sokrates die Eroslehre verkündet (201d-212b), die ihm
Diotima, eine Priesterin aus Mantineia, einst mitgeteilt habe. Aufgrund dieser
Eroslehre, mit der er allen anderen überlegen ist, kann er als der „wahrhafte
 
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