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Stellenkommentar GT 18, KSA 1, S. 116-117 335

117, 11-14 der Glaube an das Erdenglück Aller [...] die drohende Forderung
eines solchen alexandrinischen Erdenglückes] Hier verbindet sich, von der Warte
des Schopenhauerschen Pessimismus aus, die Ablehnung des (Fort-
schritts-)Optimismus mit der Ablehnung eines menschlichen Glücksanspruchs,
wie ihn schon die Aufklärung zu einem ihrer großen Themen gemacht hatte
und nun die sozialen Bewegungen des 19. Jahrhunderts sowie manche libera-
len Programmschriften weitertrugen. So hatte im Anschluß an aufklärerische
Theoriebildungen John Stuart Mill, dessen Werke N. selbst besaß und intensiv
studierte, „das allgemeine Glück aller“ zum „ethischen Maßstab“ erklärt. In
seinem (englisch erstmals 1863 erschienenen und 1869 erstmals im Rahmen
der deutschen Gesamtausgabe übersetzten) Utilitarianism, wo er diesen Grund-
satz formulierte, verband er ihn mit Jeremy Benthams (1748-1832) Utilitaris-
mus. Mills auch an die fundamentalen Ausführungen des Aristoteles zum
menschlichen Glücksstreben (Nikomachische Ethik I 2, 1095; Rhetorik I 5,
1360b) erinnerndes Fazit im 4. Kapitel von Utilitarianism lautet: „Aus den vor-
hergehenden Betrachtungen folgt, daß in Wirklichkeit nichts Anderes
gewünscht wird als Glückseligkeit. Was sonst noch in einer andern Weise denn
als ein Mittel zu einem außerhalb der Sache liegenden Zwecke und schließlich
zur Glückseligkeit gewünscht wird, wird insofern gewünscht, als es ein
Bestandtheil der Glückseligkeit ist, und wird für sich selbst nicht gewünscht,
wenn es nicht zu einem solchen geworden ist.“ (John Stuart Mill’s Gesammelte
Werke. Autorisirte Uebersetzung. Erster Band: Die Freiheit übersetzt von Th.
Gomperz. Das Nützlichkeitsprincip übersetzt von Ad. Wahrmund. Rectoratsrede
übersetzt von Ad. Wahrmund. In: John Stuart Mill’s Gesammelte Werke. Autori-
sirte Uebersetzung unter Redaktion von Theodor Gomperz. Erster Band, Leipzig
1869, S. 170). N. hatte diese Übersetzung in seiner persönlichen Bibliothek.
Die Vorstellung, daß das „allgemeine Glück“ erreichbar ist, resultiert aus dem
philanthropischen und optimistischen Fortschrittsglauben schon der Aufklä-
rung und wird von Mill aktualisiert. In der Götzen-Dämmerung spitzt N. zu
(KSA 6, 61, lf.): „Der Mensch strebt nicht nach Glück; nur der Engländer thut
das“. In diesem historischen Kontext steht die Attacke auf den zeitgenössi-
schen „Optimismus“, die N. unmittelbar vor der hier zu erörternden Stelle
führt. Anschließend stellt er die Verbindung zu sozialistischen Lehren seiner
Zeit her.
117,15-25 Man soll es merken: die alexandrinische Cultur braucht einen Scla-
venstand, um auf die Dauer existieren zu können [...] Es giebt nichts Furchtbare-
res als einen barbarischen Sclavenstand, der seine Existenz als ein Unrecht zu
betrachten gelernt hat und sich anschickt, nicht nur für sich, sondern für alle
Generationen Rache zu nehmen.] Die Notwendigkeit von Sklaven, die N. hier
im Hinblick auf die „alexandrinische“ Kultur betont - und dieser rechnet er
 
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